Hirnforschung oder Sozialwissenschaft: Wer erklärt die Medienwissenschaft?

Bestandsaufnahme und der Versuch eines produktiven Dialogs

tv impuls am 19. Oktober 2007

Wenn jemand in einer sozialwissenschaftlichen Diskussion mit Ergebnissen der Hirnforschung argumentiert, wirkt das häufig wie ein Totschlagargument: Kann man noch infrage stellen, was angeblich durch einen Blick ins Gehirn offenkundig wird? Die Gehirnforschung genießt derzeit eine große Aufmerksamkeit. Ob Mutterbindung wichtiger ist als die Erziehung in der Krippe oder im Kindergarten, ob Medien schaden oder nutzen, in welchem Alter was verstanden wird: Die Hirnforschung wird zur Erklärung des Menschen herangezogen.

Gerade in der Medienwirkungsdebatte tritt die Gehirnforschung regelmäßig als Kronzeuge auf. Anhand neurobiologischer Befunde wird zum Beispiel argumentiert, dass Computerspiele für die Gewalt in Schulen mitverantwortlich seien und die schlechten PISA-Ergebnisse ursächlich mit dem hohen Fernsehkonsum zusammenhingen. Jahrelange Untersuchungen der Psychologie, der Pädagogik oder der Kommunikationswissenschaft, deren Ergebnisse oft nicht eindeutig oder sogar widersprüchlich sind, verlieren ihre Bedeutung, wenn Hirnforscher am Werk sind.

Ist der Mensch ein kulturelles Wesen oder Sklave seines Gehirns? Wie weit ist das Gehirn durch kulturelle Einflüsse veränderbar? Welche Aussagen können Hirnforscher tatsächlich treffen und auf welcher Grundlage arbeiten sie? Können Ansätze der Hirnforschung und der Sozialwissenschaft im Dialog vielleicht einen neuen Erkenntnisschub hervorbringen? 

Am 19. Oktober 2007 bot die Veranstaltung den Vertretern der Hirnforschung und der Sozialwissenschaften ein Forum, um ihre unterschiedlichen Standpunkte zu erläutern und zur Diskussion zu stellen. 

Hirnforschung. Ihre Methodik, ihre Chancen und ihre Grenzen

Dr. Hans J. Markowitsch ist Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld und dort Mitglied des Direktoriums am Zentrum für interdisziplinäre Forschung. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehört die Wechselwirkung zwischen Entwicklung, Umwelt und Gehirn, Bewusstsein und Gedächtnis. 

Von Gall zu Cajal! Kann die Bildgebung des Gehirns unser Verhalten erklären?

Dr. Arno Villringer war bis 2007 Professor für Neurologie und Leiter des Universitätsklinikums für Neurologie der Charité in Berlin. Er ist Sprecher der Berlin School of Mind and Brain. Zu seinen Arbeitsgebieten gehören Mind and Brain, Bildgebung des Gehirns sowie der Schlaganfall.

Medienwirkung: Hirnforschung als Totschlagargument. Ein Statement aus Sicht der Psychologie

Dr. Peter Ohler ist Professor für Mediennutzung an der Technischen Universität Chemnitz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medienpsychologie, Mediensoziologie, Kinder und Medien sowie Evolutionspsychologie.

Kriminologie und Hirnforschung. Jugendgewalt und Medienwirkung aus kriminologischer Sicht

Dr. Britta Bannenberg ist Professorin für Kriminologie, Strafrecht und Strafverfahrensrecht an der Universität Bielefeld. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Kriminalprävention, Amokläufen, aber auch Korruption und Doping.

Hirnforschung und Sozialforschung. Der Versuch einer Synthese aus erziehungswissenschaftlicher Sicht

Dr. Matthias Rath ist Professor für Philosophie und Ethik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Er ist im wissenschaftlichen Vorstand des Landesinstituts für Schulentwicklung Baden-Württemberg und Beiratsmitglied des Netzwerks Medienethik. 

Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) statt.