Zwischen „(S)Experimenten“ und Selbstliebe
Die 2. Staffel der Reality-Doku „Stranger Sins“
- Stranger Sins
- D 2023–Dokumentation/Reportage
- Anbieter
- RTL+
- Zu sehen
- ab 08.01.2025
Ein idyllisches Retreat in Mexiko – eine Frau und ein Mann liegen entspannt am Pool und massieren sich. Dem ein oder anderen Realityfan wird auffallen: Diese beiden sind keine Unbekannten. Es handelt sich um das polarisierende Reality-TV-Pärchen Kate und Jakub Merlan, bekannt aus Formaten wie Temptation Island oder Prominent getrennt. Sie sind eins von mehreren Paaren, die weit gereist sind, um ein erotisches Abenteuer einzugehen.
Die Massageszene am Pool ist ein intimer Moment, der von der Kamera hautnah gefilmt wird. Es ist einer von vielen Schauplätzen des Reality-Erotikformats Stranger Sins. In diesem werden Paare dabei begleitet, wie sie sich auf experimentelle Weise neu auf ihre Sexualität einlassen. Gleichzeitig sollen sie somit auch die Möglichkeit bekommen, an bestehenden Beziehungsproblemen zu arbeiten.
Die Beweggründe, dieses Abenteuer vor laufender Kamera anzutreten, sind so verschieden wie die teilnehmenden Paare selbst. Es geht um unterschiedliche Erwartungshaltungen an die Beziehung, einseitige Dominanz und Offenheit oder auch, wie im Fall von Kate und Jakub, um fehlende sexuelle Lust und Intimität.
Die zweite Staffel von Stranger Sins läuft seit dem 8. Januar 2025 bei RTL+. (Foto: RTL)
Begleitet werden die Partner*innen von einer Sexualtherapeutin, die genau da ansetzt, wo die meisten der teilnehmenden Paare nicht von allein weiterkommen: der Reflexion über die eigenen Bedürfnisse und wie diese kommuniziert werden können. Zudem hilft ein Tantra-Coach dabei, praktisch an den eigenen Beziehungsthemen und Unsicherheiten zu arbeiten. Mit diversen Übungen, wie beispielsweise Rollenspielen, sollen die Teilnehmenden einen Perspektivwechsel vornehmen und dabei ihr Selbstbewusstsein stärken. Gleichzeitig werden durch Aufgaben wie das Ausprobieren von Sextoys oder Dirty Talk neue Impulse gesetzt und Raum für eigene Fantasien und Wünsche geschaffen.
Dies kommt nie ganz ohne Scham oder Vorbehalte aufseiten der Teilnehmenden aus, was jedoch ein authentisches Bild zeichnet. Denn obwohl die Themen Sexualität und sexuelle Bedürfnisse gesellschaftlich durchaus mehr Offenheit erfahren, gibt es noch immer Tabus, die auch vor langjährigen Beziehungen nicht Halt machen. Genau diese Tabus versucht das Format zu durchbrechen. Sex soll und darf als etwas Natürliches, als etwas Schönes begriffen werden, Stichwort Sexpositivity.
Selbstverständlich geht es hierbei auch um das Erleben von Lust und Leidenschaft, was an vielen Stellen so verrucht dargestellt wird, wie der Formattitel vermuten lässt. Dennoch wird auch auf empathische Art und Weise verdeutlicht, dass Sex allein keine Beziehungsprobleme lösen kann, sondern Respekt und eine offene Kommunikation das Fundament für eine gesunde Partnerschaft und ein erfülltes Sexleben bilden.
Der Fokus wird an vielen Stellen zudem auf Selbstliebe, Selbstakzeptanz und das Verinnerlichen des eigenen Werts gelegt. So bekommt beispielsweise der eher unsichere Kandidat Tim die Aufgabe, sich vor einem Spiegel nackt auszuziehen und sich zeitgleich positive Affirmationen zu sagen. Ein Grundsatz hierbei: Man sollte sich selbst wertschätzen können, um Wertschätzung von außen annehmen zu können. Stranger Sins schafft es somit auf erfrischende Art, den Blick auf Sexualität und Intimität zu erweitern – weg von Leistungsdruck und Stigmata, hin zu Offenheit und Akzeptanz.
Freigegeben ab 16 Jahren | ab 22 Uhr
Freigegeben ab 12 Jahren | ab 20 Uhr
Stranger Sins ist ein Format, das sich deutlich erkennbar mit der Sexualität Erwachsener auseinandersetzt. Neben neuen erotischen Erfahrungen stehen insbesondere Aspekte wie Selbstliebe, das Kommunizieren eigener Bedürfnisse sowie Empowerment im Vordergrund.
Die Paare bekommen verschiedene Übungen, mit denen sie (gemeinsam) ihre Sexualität offen und ohne Tabus erkunden können. Gezeigt werden in diesem Zusammenhang auch sexuelle Handlungen und Bilder, die teilweise zwar explizit, jedoch nicht über die Maße aufdringlich oder anreißerisch sind. Zudem sind die sexuell konnotierten Szenen deutlich erkennbar in einen Beziehungskontext eingebettet und stets von Konsens und Wertschätzung geprägt.
Gröbere Sexualpraktiken aus dem Bereich BDSM werden thematisiert, jedoch auch kritisch hinsichtlich möglicher Gefahren eingeordnet. Vulgäre Äußerungen sind häufig in einen Übungskontext eingebettet, so wie im Fall von Kandidatin Justyna, die mithilfe eines Sex-Talks in einer selbstbewussten Haltung ihrem Partner gegenüber gestärkt werden soll. Die sexuell angelehnten Aufgaben werden zudem durch verschiedene Coaches angeleitet, wobei darauf geachtet wird, dass sich die Kandidat*innen wohlfühlen und eigene Grenzen nicht überschritten werden. Ältere Jugendliche werden somit zu keiner Zeit mit Aspekten von Sexualität konfrontiert, die nicht eingeordnet sind oder sexualethisch desorientierend wirken können.
An vielen Stellen wird versucht, einseitige Rollen- oder Geschlechterstereotype aufzubrechen. Auch hier fungieren die Sexualtherapeutin sowie die Coaches als wichtige moderierende Instanzen. Betont werden immer wieder essenzielle Aspekte wie Konsens und Vertrauen. Die Probleme und Unsicherheiten der Kandidat*innen sind individuell und werden zu keiner Zeit pauschalisiert. Eine offene, wertfreie Kommunikation und Respekt werden als Grundpfeiler einer gesunden Beziehung betont. Für ab 16-Jährige wird somit kein Druck aufgebaut, bestimmte sexuelle Praktiken auszuprobieren, um ein erfülltes Sexleben zu haben.
Um die teils expliziten sexuellen Handlungen und Themen einordnen zu können, ist der Erfahrungshorizont älterer Jugendlicher ab 16 Jahren erforderlich. Dieser Altersgruppe kann zugetraut werden, die sexuellen Schilderungen und Bilder vor dem Hintergrund einer bereits ausgeprägteren Sexualkompetenz ausreichend verarbeiten zu können. Durch den empathischen und empowernden Grundtenor werden ältere Jugendliche nicht in ihrer Verarbeitungsfähigkeit überfordert. Die Mehrzahl der Episoden der 2. Staffel wurden somit ab 16 Jahren, verbunden mit einer Ausstrahlung im Spätabendprogramm (ab 22 Uhr), freigegeben.
Trotz vereinzelter Unstimmigkeiten gehen die Paare stets respektvoll miteinander um, kommunizieren auf Augenhöhe und handeln selbstbestimmt. Das Format vermittelt in vielen Sequenzen positive Botschaften wie Selbstliebe und Bodypositivity. In einigen Episode überwog dieser positiv-aufklärerische Aspekt, sodass diese bereits ab 12 Jahren für das Hauptabendprogramm (ab 20 Uhr) freigegeben wurden.
Über die Autorin:
Lena Wandner studierte Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt und ist Prüferin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Aktuell ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena tätig.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.
Weiterlesen: Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
Weiterlesen: Jugendschutz bei Streamingdiensten