Humor ist, wenn man trotzdem stirbt

Die Comedy-Thriller-Serie „Based on a True Story“

Jenni Zylka
Das Protagonistenehepaar schaut über die Schulter in die Kamera
BASED ON A TRUE STORY (© 2023 Universal Content Productions LLC. All Rights Reserved)
Based on a True Story
USA 2023Krimikomödie
Anbieter
ProSieben/Joyn
Zu sehen
ab 04.08.2025

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Über die Definition einer „Dark Comedy“ aber schon. Das Internet glaubt, dass „schwarzer Humor“ Tod, Verbrechen, Armut, Selbstmord, Krieg, Gewalt, Terrorismus, Diskriminierung, Krankheit, Rassismus, Sexismus, Homophobie und menschliche Sexualität thematisiere und dass es das oben genannte Problem mit dem unterschiedlichen Geschmack sei, das „schwarzen Humor“ so attraktiv mache: Der eine findet es grotesk, aber lustig, wenn ein Serienmörder, der ausschließlich Frauen umbringt, einen neuen, netten Freundeskreis findet, die andere sieht Gewaltverharmlosung und Verrohung.

In der Dark-Comedy-Serie Based on a True Story ist das Morbide in der Prämisse angelegt: Die schwangere Immobilienmaklerin Ava Bartlett (Kaley Kuoco) ist großer Fan von True-Crime-Podcasts. Sie und ihr Mann Nathan (Chris Messina), ein Tennislehrer, machen in der ersten Staffel der von Craig Rosenberg erdachten, 2023 erstmals ausgestrahlten Serie die Bekanntschaft eines Handwerkers namens Matt (Tom Bateman). Der stellt sich wenig später als „Westside Ripper“ heraus – er bringt ausschließlich junge Frauen um, mindestens 20 hat er schon auf dem Gewissen. Charmant und unterhaltsam scheint er dennoch zu sein. Die Bartletts freunden sich mit Matt an, schließlich gibt er hervorragenden Podcast-Stoff ab – Avas neuer Podcast mit ihm wird ein Hit. Nach einigem Hin und Her und ein paar nicht nur von Matt begangenen Morden finden sich die Bartletts am Ende der ersten Staffel als Mitwisser:innen, während Matt eine Affäre mit Avas Schwester Tory begonnen hat.

In der zweiten Staffel, die der FSF zur Prüfung für eine Freigabe im Hauptabendprogramm ab 12 Jahren vorlag, sind die Bartletts Eltern geworden und haben – neben dem Verbrechen- und Podcastgeschäft – mit dementsprechenden realen Nebenwirkungen wie Schlafmangel und Babysitterfragen zu kämpfen. Matt und Tory sind noch zusammen, an anderer Stelle wird munter weitergemordet. Zwei überkandidelte Konkurrenz-Podcasterinnen kidnappen die Bartletts, die Täterinnen fallen jedoch einem „Copycat Killer“, also einem Nachahmer von Matt zum Opfer, der sich als Paige, die Schwester eines von Matts weiblichen Opfern entpuppt. Ava und Nathan werden in letzter Minute von Matt gerettet – der am Ende wiederum Paige an einen Stuhl fesselt.
 

Trailer Based on a True Story (Peacock, 24.10.2024)


Based on a True Story unterscheidet sich von thematisch ähnlichen Formaten: Die ebenfalls ambivalente Prämisse des zwischen 2006 und 2013 ausgestrahlten, schwarzhumorigen Formats Dexter etwa, in dem ein Serienmörder der Polizei „hilft“, indem er nicht „wahllos“ tötet, sondern „unverbesserliche“ Mörder heimsucht, denen die Polizei nicht beikommen kann, zeigt zumindest den Versuch einer Beschäftigung mit Fragen nach Moral, Schuld und Sühne. 

Geschichten wie Allan Cubitts 2013 entstandene Serie The Fall, in der ein ebenso großer Fokus auf die wegen eines Frauen-Serienmörders ermittelnden Kriminalbeamtin wie auf den Mörder selbst gelegt wird, bemühen sich in dieser ungewöhnlichen Konstellation um Ausgewogenheit: Der Mörder wird nicht sympathisch, nicht als Held gezeigt, sondern als kaputter Mensch; dem Schauspieler Jamie Dornan gelang eine psychologisch beachtlich komplexe Darstellung, Gillian Anderson spielte eine autarke Polizistin, die nie müde wird, neben der Suche nach dem Frauenmörder auch die misogynen, gesellschaftlichen Strukturen zu benennen.

Und auch die Serie Hannibal, die sich an den etablierten Serienmörder-Charakteren aus den Büchern von Thomas Harris (und Jonathan Demmes Film von 1991) anlehnt, zeigt einen gewissen Ernst im Umgang mit dem Sujet: Dem elegante Hauptdarsteller Mads Mikkelsen mag man gern zuschauen, es ist aber immer klar, dass die Sympathien beim psychisch schwer angeschlagenen Profiler Will Graham (Hugh Dancy) liegen, dem von Hannibal bei seinen Ermittlungen geholfen werden soll. Dass die Jagd nach und das Hineinversetzen in gewalttätige, psycho- oder soziopathisch gestörte Menschen krank macht, ist ein wichtiges Motiv der Serie.

Wirklich pechschwarzhumorige Geschichten wie etwa Peter Richardsons anarchistische Menschenfresser-Komödie Eat the Rich von 1987, Fargo der Coen-Brüder oder Genrefilme wie Jim Jarmuschs The Dead Don’t Die mögen zwar blutrünstiger aussehen, sind aber politisch eindeutiger: Der Kampf gegen Mörder, Zombies oder Kannibalen hat stets eine soziale Aussage.

Um all das schert sich Based on a True Story nicht. Hier werden Mordgelüste mit Suchtkrankheiten verglichen und vor allem Liebhaberinnen und Freundinnen um die Ecke gebracht. Es wird aus dem Wunsch nach medialem „Ruhm“ oder einfach so aus Spaß gemordet. Dass allein in Deutschland im wirklichen Leben fast jeden Tag ein Femizid – die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts – stattfindet, macht die humorige Prämisse schwer verdaulich.

Medienkritik, etwa am enormen Anstieg von True-Crime-Formaten, oder eine Analyse der damit zusammenhängenden Auswirkungen auf Rezipient:innen und unsere Gesellschaft lässt sich in der Serie ebenfalls nicht entdecken: Vieles wird angedeutet, hält aber höchstens für einen lauen Gag her. Wie bei „echtem“, also dokumentarischen True-Crime-Formaten ging es anscheinend schlichtweg darum, die beiden Buzzwords „Frauen-Serienmörder“ und „True-Crime-Podcast“ zu vermischen, um damit möglichst viele Menschen aufmerksam zu machen. Ob das geklappt hat, ist, wie eingangs erwähnt, Geschmackssache.

 

Freigegeben ab 12 und ab 16 Jahren | ab 20 Uhr und ab 22 Uhr
 

 

Die Serie hat eine eindeutige Komödienrahmung, erscheint überdreht und ist mit Gags vollgestopft, die für 12-Jährige unverständlich sein dürften; das Tempo ähnelt Sitcoms. Die Story ist wenig anschlussfähig, die blutigen Verbrechen können durch die überkandidelte Atmosphäre nicht nachhaltig ängstigend wirken. Der Umgang mit echten Verbrechen durch zwei Podcastfans ist als Karikatur erkennbar.

Drei der fünf geprüften Episoden erhielten daher eine Freigabe für das Hauptabendprogramm, verbunden mit einer Altersfreigabe ab 12 Jahren. Zwei Episoden konnten nicht antragsgemäß freigegeben werden. Für eine drastische Gewaltspitze wurde für die Freigabe für das Hauptabendprogramm eine Schnittauflage verhängt, da hier aufgrund der splatterartigen Ästhetisierung eine Gewaltbefürwortung und ‑förderung gesehen wurde. Die finale Episode der zweiten Staffel wurde wegen ihres hohen Gewalt- und Bedrohungsniveaus erst ab 16 Jahren freigegeben. Anders als in den 12er-Episoden greift hier kaum noch Humor als entlastendes Element.

Über die Autorin:

Jenni Zylka ist freie Autorin, Moderatorin, Filmkuratorin, Journalismusdozentin und Geheimagentin. Sie arbeitet für Radio, Print- und Onlinemedien, u.a. Spiegel Online, „taz“, „Tagesspiegel“, „Rolling Stone“, WDR, RBB, Deutschlandradio, Berlinale, Filmfest Emden, Filmfest Dresden und Akademie für Mode und Design. Sie veröffentlichte bei Rowohlt und Suhrkamp.

Bitte beachten Sie:

Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.

Weiterlesen:   Sendezeiten und Altersfreigaben

 

Hinweis:

Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:   Jugendschutz bei Streamingdiensten