Ein Interview, das vieles veränderte

Die Dramaserie „A Very Royal Scandal“

Uwe Breitenborn
A VERY ROYAL SCANDAL (© Blueprint)
A Very Royal Scandal
GB 2024Drama
Anbieter
MagentaTV
Zu sehen
ab 01.12.2024

Der Dreiteiler A Very Royal Scandal gehört zu einer Anthologie-Reihe von britischen Dramaserien (A Very English Scandal; A Very British Scandal), die sich den Verfehlungen britischer Prominenter widmet. Im royalen Skandal geht es nun um das berühmte BBC-Interview mit Prince Andrew aus dem Jahr 2019 zu dessen Epstein-Connection und den sexuellen Missbrauch Minderjähriger.
 

Royale Bruchlandung

Die Serie folgt der Karriere der britischen Journalistin Emily Maitlis (Ruth Wilson), die 2018 zur Hauptmoderatorin der BBC-Sendung Newsnight aufstieg. Ein Jahr später erhält sie die Gelegenheit, Prince Andrew (Michael Sheen) zu interviewen, was sie zur journalistischen Ikone und Prince Andrew zu einer royalen Persona non grata macht. Der Prinz steht im Verdacht des sexuellen Missbrauchs, da er 2001 mit der damals 17-jährigen Virginia Giuffre in einem Apartment des Investmentbankers Jeffrey Epstein Sex gehabt haben soll. Er profitierte von seiner engen Beziehung zu dem Milliardär und Sexualstraftäter Epstein, der minderjährige Mädchen sexuell ausbeutete und reichen Männern „anbot“ („Lolita-Express“). Nach Epsteins Verhaftung und dessen Suizid im Gefängnis wird der Skandal von der BBC erneut aufgegriffen, und Prince Andrew versucht mit dem Interview, die Vorwürfe zu entkräften. Mit dem PR-Stunt schaufelt sich Andrew jedoch sein eigenes royales Grab. Das TV-Ereignis löst einen massiven Skandal aus, der das Leben aller Beteiligten nachhaltig verändert. Prinz Andrew wird von den Pflichten des Königshauses entbunden. Dieses erwirkt außerdem einen außergerichtlichen Vergleich und Emily steht als Journalistin, die die Monarchie ins Wanken bringt, im Rampenlicht.
 

Trailer A Very Royal Scandal (MagentaTV, 22.11.2024)


Britisch, brillant

A Very Royal Scandalwurde von Jeremy Brock geschrieben und von Julian Jarrold inszeniert. Premiere feierte die Serie im September 2024. In Deutschland ist sie seit Dezember 2024 bei MagentaTV zu sehen. Die Serie zeigt die Macht der Medien und wie wichtig es ist, Themen sexuellen Missbrauchs offen und vor allem sensibel zu behandeln. Die Journalistin Emily Maitlis selbst ist als ausführende Produzentin beteiligt und bringt ihre Perspektive damit direkt ein. Die Serie positioniert sich deutlich ablehnend gegenüber sexuellem Missbrauch und reflektiert auch interessante medienethische Aspekte. Wenn Prinz Andrews juristisch ausgebildete Privatsekretärin Amanda (Joanna Scanlan) fragt, ob denn „eine fehlende Entschuldigung“ das Gleiche sei wie Schuld, oder Emily fast naiv anmerkt „Ich bin Journalistin. Ich stelle doch nur Fragen“, dann zeigen sich hier immer auch komplexe ethische Dimensionen. Diese ambivalenten Noten machen die Qualität der Serie aus.

Andererseits bleibt A Very Royal Scandal immer an der Seite der Opfer. Sexuelle Ausbeutung minderjähriger Frauen und der Missbrauch durch privilegierte, selbstverliebte und schwerreiche Männer werden ganz klar verurteilt. Prinz Andrew präsentiert sich in einer Mischung aus Weltfremdheit und narzisstischer Hybris – ein Mann, der glaubt, seine Unschuld mit Pizza-Express-Alibis und Schweißabstinenz beweisen zu können. So wird aus einem royalen Skandal das groteske Psychogramm eines Privilegierten, der nicht versteht, dass die Welt sich verändert hat und welche Herausforderung dies für Journalistinnen darstellt, damit umzugehen.
 

 

Freigegeben ab 12 Jahren | ab 20 Uhr
 

 

Die Serie zeigt realitätsnah und faktenbasiert die journalistische Vorbereitung des Teams um Emily Maitlis, die das Interview führte. Außerdem werden die Auswirkungen auf das Leben aller Beteiligten thematisiert. Gearbeitet wird auch mit Rückblenden auf die Ereignisse im Epstein-Umfeld. Die Inszenierung verzichtet jedoch auf drastische Bilder, der Missbrauch wird verbal geschildert, ohne zu explizit zu werden. Das Thema ist stets präsent, wird aber nicht in ängstigender oder desorientierender Weise aufbereitet. Die Serie bezieht eine klare Haltung und stellt sich empathisch an die Seite der Opfer. Sie deckt Missbrauchs- und Manipulationsmechanismen auf, bleibt aber in der Inszenierung eher zurückhaltend. Ab 12-Jährige werden die Geschichte hinreichend distanziert aufnehmen und einordnen können. Ein aufklärerischer Impuls ist der Serie ebenfalls zuzusprechen. Einfühlsam, aber unmissverständlich wird deutlich gemacht: Macht schützt nicht vor Verantwortung, und Ignoranz hat ihre Grenzen.

Über den Autor:

Dr. Uwe Breitenborn ist hauptamtlicher Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Dozent, Autor und Bildungsreferent bei der Medienwerkstatt Potsdam.

Bitte beachten Sie:

Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.

Weiterlesen:   Sendezeiten und Altersfreigaben

 

Hinweis:

Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:   Jugendschutz bei Streamingdiensten