Erben mit Haken
Die Dramaserie „In Memoriam“

- In Memoriam
- CDN 2024Drama
- Anbieter
- ProSieben FUN
- Zu sehen
- ab 27.02.2025
Sechs Menschen dabei zuzugucken, was sie alles für Geld tun, ist nicht nur ein bewährtes Reality-TV-Konzept, sondern auch eine vielversprechende Serienidee. Genau das liefert die achtteilige frankokanadische Serie In Memoriam. Sechs entfremdete potenzielle Erben des verstorbenen Multimillionärs Paul-Émile de Léry müssen nach dem Tod des Patriarchen an verschiedenen Spielen teilnehmen, um das Erbe von 84 Mio. Dollar zu ergattern.
Es treten auf: die vier erwachsenen Kinder Lucile, Mathieu, die Zwillinge Julien und Judith sowie Mathieus Lebenspartner Andrew und Farrah, die – wie sich herausstellt – ihre bislang unbekannte, hochschwangere Halbschwester ist. Sie haben ihren superreichen und charakterlich zweifelhaften Vater seit 15 Jahren nicht gesehen und sind nun bestellt zu dessen Testamentseröffnung. Paul-Émile hat sich, gemäß seinem herrschsüchtigen sadistischen Charakter, ganz besondere Psychospielchen für seine potenziellen Erben ausgedacht, die sie regelkonform bestehen müssen. Wer auch immer gewinnt, erhält das Erbe und kann es dann nach Gusto verteilen. Wenn keine:r den perfiden Spießrutenlauf besteht, verfällt der Erbschaftsanspruch.
Paul-Émile de Lérys lebenslang treuer Bediensteter Léo ist – nicht ganz freiwillig – eingesetzt als Testamentsvollstrecker und Showmaster und passt auf, dass die Regeln unter allen Umständen eingehalten werden. Alle Beteiligten haben vermeintlich gute Gründe, warum sie das Geld unbedingt brauchen. Léo eröffnet das erste Spiel und schon offenbart sich die perfide Gemeinheit des Verstorbenen. Er lässt als Erstes alle Beteiligten jeweils einen extra auf ihn oder sie zugeschnittenen Zettel vorlesen, auf dem eine unangenehme persönliche Wahrheit zwangsoffenbart wird. Sofort zerfällt die vorab gemeinsam getroffene Vereinbarung zur gleichmäßigen Verteilung des Geldes. Die persönlichen Kränkungen der Gegenwart verbinden sich mit schmerzhaften Erinnerungen der Vergangenheit. Das Hauen und Stechen beginnt und steigert sich mit jeder hinterlistigen Spielrunde. Die Beteiligten taktieren, changieren, recherchieren, was das Zeug hält. Es werden Allianzen gebildet und sofort wieder verworfen, keine Person ist die, die sie zu sein scheint. Und manche von ihnen würden – wie sich herausstellt – sogar töten für das Geld.
Trailer In Memoriam (ProSieben FUN, 19.02.2025)
Unter dem Wettlauf um das Erbe liegt – akzentuiert durch düstere synthetische Musik – die ebenso düstere Familiengeschichte in Sepiaoptik. Häppchenweise werden Schlüsselszenen aus dem zerrütteten Familienleben und schließlich um den mysteriösen Tod der Mutter dargeboten. Bei dem Aufenthalt im großen Herrenhaus ihres Vaters, ihrem ehemaligen Zuhause, werden die Kinder bisweilen von traumatischen Erinnerungen überfallen. Immer wieder tauchen farbentsättigte Bilder der Mutter Mathilde mit einer Pistole auf – sowie Spuren von Gewaltanwendung, ein wütender Vater, verstörte Kinder, ein gescheiterter Fluchtversuch. Es geht um Lügen, um Fragen von Schuld und Sühne. Die im Lauf der Serie länger werdenden fragmentierten Flashbacks werfen Fragen auf, die es zu lösen gilt. Diese Rolle fällt Victor zu, Ehemann von Lucile, der Ermittlungen anstellt und Zeitzeugen zu den Vorgängen um die Familie befragt. Das Indiziennetz verdichtet sich und in der letzten Episode wird die These, dass die Mutter Selbstmord verübt hat, unwiderruflich widerlegt. Zur großen Überraschung aller Beteiligten.
Die Kandidierenden versinken derweil wechselweise in einem Mahlstrom der Gefühle oder versuchen durch intrigantes Taktieren ihre Interessen voranzutreiben. Zug um Zug nähern sie sich der Wahrheit – und wir uns mit ihnen.
Nach acht Folgen wissen wir, wer für Geld wie weit zu gehen bereit ist und auch warum.
Freigegeben ab 12 Jahren | ab 20 Uhr
Die düstere Familiengeschichte und Themen wie Kindheitstraumata und psychische und physische häusliche Gewalt sind für Kinder grundsätzlich anschlussfähig, weshalb der FSF-Prüfausschuss diese Aspekte mit Blick auf die ab 12-Jährigen besonders in den Blick nahm.
Eine übermäßige emotionale Belastung bzw. eine nachhaltige Ängstigung wurde für diese Altersgruppe letztlich nicht vermutet. Ausschlaggebend war einerseits das artifizielle Setting, das wenig Nähe zum Alltag von Kindern und Jugendlichen aufweist. Die Perspektive, aus der die potenziell belastenden Themen erzählt werden, ist klar eine erwachsene – die in der Vergangenheit liegenden Qualen der Kinder werden nicht direkt geschildert. Beide Aspekte bieten jungen Zuschauenden die Möglichkeit zur Distanzierung.
Andererseits bleibt die Bildebene eher dezent, die Gewalt wird nur angedeutet, sodass ab 12-Jährige auch hierdurch nicht überfordert werden. Eine klare Einordnung der häuslichen Gewalt ist durch die sichtbaren seelischen Spätfolgen gegeben.
Letztlich sorgt die dialoglastige, gemächliche Erzählweise dafür, dass sich trotz der bedrückenden Atmosphäre keine übermäßig hohe atmosphärische Intensität aufbaut.
Über die Autorin:
Adele Seelmann-Eggebert ist freiberuflich tätig als Prüferin bei der FSF. Außerdem kuratiert und koordiniert sie unter dem Dach des rbb internationale TV-Events, schreibt und berät in Sachen Medien. Studiert hat sie Geisteswissenschaften an der University of Edinburgh.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.
Weiterlesen: Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
Weiterlesen: Jugendschutz bei Streamingdiensten