Verblasster Gewaltrausch
Die Prüfgeschichte des Vampir-Actionfilms „Blade“
- Blade
- USA 1998Action
- Anbieter
- RTLZWEI
- Zu sehen
- am 23.12.2024
Der Vampirjäger Blade gehört neben Van Helsing oder Teenie-Star Buffy zu den berühmtesten seiner Zunft. Die Comicverfilmung aus dem Jahre 1998 mit Wesley Snipes in der Hauptrolle schlug seinerzeit in mehrfacher Hinsicht hohe Wellen. Schwarze Actionhelden hatten in der boomenden Multiplex-Kinowelt der 1990er-Jahre noch Seltenheitswert. Wenn es welche zu sehen gab, dann waren es klischeebehaftete, betont coole (Ex-)Cops wie die Bad Boys Will Smith und Martin Lawrence oder Dampfplauderer Eddie Murphy, die auf der großen Leinwand die Massen mit markigen Sprüchen zu unterhalten wussten. In Comicverfilmungen, zumal im düsteren Genre des Vampirfilms, kamen sie bis dato nicht vor. So gesehen war die Erscheinung Blades eine echte Zäsur.
Die Geschichte ist schnell erzählt, Gut und Böse sind einfach auszumachen. Nachdem Blades Mutter während seiner Geburt von einem Vampir gebissen und getötet wurde, wird dem Kind in der Folge nur das Beste aus der jeweiligen Welt von Mensch und Vampir zuteil. Blade besitzt übernatürliche Kräfte wie seine bösen, bestialischen Verwandten, kann sich jedoch, im Gegensatz zu ihnen, bei Tageslicht bewegen und fühlt sich auch sonst der von Vampiren bedrohten Menschheit verpflichtet. Im Krieg Vampire gegen Menschen ist Blade also so etwas wie der Heilsbringer für unsere Spezies – eine Wunderwaffe im Kampf gegen die Vernichtung der Menschheit. Sein Gegenspieler ist dabei Deacon Frost. Frost ist ein junger, aufstrebender Vampirfürst, der die Vorherrschaft der Vampire auf der Erde und die Vernichtung Blades zum Ziel hat. Soweit die Grundordnung des Kampfes.
Und dieser Kampf hat es in sich. Die Geschichte wartete mit einer für Ende der 90er-Jahre ungewöhnlichen Gewaltorgie auf. Bereits der Auftakt in die Actionschlacht zwischen Menschen und Vampiren kommt als regelrecht apokalyptische Technoblutorgie daher. In der Folge sind Tötungs- und Foltermethoden verschiedenster Art zu sehen, alles rauschhaft inszeniert zu treibenden Bässen und im entsprechenden Look des vorherrschenden Zeitgeistes Ende des Jahrtausends. Eine Dichte und ein Exzess an Gewaltdarstellungen, die über die nächsten knapp 25 Jahre dafür sorgen sollten, dass verschiedenste gekürzte Fassungen immer und immer wieder von FSK und FSF geprüft wurden. Die ursprüngliche Kinofassung landete für knapp 20 Jahre auf dem Index und durfte weder im Fernsehen ausgestrahlt noch irgendwo beworben oder frei verkauft werden.
Filmvorschau Blade (2025) (KinoCheck, 03.04.2024)
Aber der Reihe nach. Zunächst einmal lief der Film im Dezember 1998 in seiner ursprünglichen Fassung in den deutschen Kinos an. Ein Versuch des damaligen Kinoverleihs, den Film für einen größeren Erfolg von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ab 16 Jahren freigeben zu lassen, scheiterte. Eine erste gekürzte Fassung durfte im Vertrieb in Videotheken und Elektronikmärkten ebenfalls nur an Erwachsene (also ab 18 Jahren) herausgegeben werden. Lediglich einer drastisch beschnittenen Version gelang es Ende April 1999, die ersehnte Freigabe ab 16 Jahren zu erhalten.
Nur kurze Zeit später wurde die originäre Kinofassung von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heute: Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz) auf die Liste der jugendgefährdenden Medien gesetzt. In der Indizierungsbegründung berief man sich vor allem auf die sowohl beim Superhelden Blade als auch bei den Antagonisten durchgängig zynische Bejahung und Anwendung drastischer Gewalt als legitimes Mittel zur Vernichtung der jeweils anderen Spezies.
Bei aller erkennbaren Realitätsferne wurde dem Film im ersten Prüfgutachten der FSK – nicht zuletzt aufgrund der zur damaligen Zeit modernsten Tricktechnik – eine realistische, dem Kriegsfilm nahestehende Inszenierung zugeschrieben. Zudem konstatierte man die bereits oben beschriebene Inszenierung nahe an den Trends der damaligen Jugendkultur – zu viel für die Sehgewohnheiten des Publikums zwischen 16 und 18 Jahren, so die Auffassung der Prüfausschüsse.
Blade (Wesley Snipes, li.) – halb Mensch, halb Vampir – hat es sich zur Aufgabe gemacht, sämtliche Vampire zu vernichten. Sein Widersacher ist Deacon Frost (Stephen Dorff, re.) der die Menschheit dank eines alten Vampir-Rituals beherrschen will …
Seit 2019 ist die Indizierung des Films aufgehoben, und im September 2024 wurde eine nur noch minimal gekürzte Fassung vom FSF-Prüfausschuss für ein Publikum ab 16 Jahren freigegeben. Einhellig befanden die Prüfenden, dass die Faszination, dieser rauschhafte Sog, den der Film mit all seiner explizit dargestellten Gewalt vor 25 Jahren bei Jugendlichen zu erzeugen vermochte, heute in dem Maße nicht mehr besteht. Die Überzeichnung und der Look der 1990er-Jahre schafft neben der realitätsfernen Vampirgeschichte für heutige 16-Jährige ausreichend Entlastungs- und Distanzierungsmöglichkeiten.
Dennoch gibt es sie noch, die Szenen, in denen das Maß der verantwortbaren Gewaltdarstellung und vor allem der zur Schau gestellte Zynismus beim Töten für einen Prüfausschuss hinsichtlich eines jugendlichen Publikums bis 18 Jahre überschritten wird. Dabei handelt es sich vor allem um eine triumphierende Pose, die Blade zum Abschluss eines brutalen Tötungsaktes zeigt, eine in Zeitlupe ausgespielte Erschießung sowie die Folterszene mit dem Vampir-Archivar Pearl. Zwar handelt es sich bei dieser Figur sehr eindeutig um ein Geschöpf aus dem Marvel-Universum und der fiktive und überzeichnete Charakter der Szene erschließt sich darum zweifelsfrei auch jedem Jugendlichen. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack beim Betrachten der ausgekosteten Gewalt durch Blade und seine Mitstreiterin Karen. Gleich drei kurze Sequenzen wurden an dieser Stelle entfernt.
Insgesamt summieren sich die entfernten Szenen der nun freigegebenen Fassung ab 16 Jahren im Vergleich zur originalen Kinofassung jedoch auf unter eine Minute Spielzeit. Eine Entscheidung, die noch vor 25 Jahren undenkbar gewesen wäre. Der Film Blade zeigt damit deutlich, wie stark sich Sehgewohnheiten, gesellschaftliche Bewertungsmaßstäbe und damit auch die Prüfpraxis verändert haben. Was einst als in höchstem Maße jugendgefährdend galt, wird heute als artifiziell, überspitzt und nahezu ironisch wahrgenommen. Eine schnelle, rauschhafte Bildmontage der 1990er-Jahre entfaltet in Zeiten der fragmentierten Dauerberieselung durch TikTok und andere Social-Media-Plattformen keine Sogwirkung mehr und überfordert 16- bis 18-jährige Zuschauer:innen selten. Der Fall Blade bleibt ein Meilenstein des Genres, vor allem aber auch ein Zeugnis für die Diskussionen um Gewalt und ihre Inszenierung – damals wie heute.
Freigegeben ab 16 Jahren | ab 22 Uhr
Über den Autor:
Florian Fromm ist Referent für Social Media und Öffentlichkeitsarbeit beim Hilfswerk Caritas international sowie freier Autor und Filmreferent für verschiedene Bildungseinrichtungen.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.
Weiterlesen: Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
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