„Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben – nur das Licht kann das.“

Die Thrillerserie „Turmschatten“

Susanne Bergmann
TURMSCHATTEN (© 2024 Viacom International Inc. All Rights Reserved.)
Turmschatten
D 2023/24Thriller
Anbieter
Sky | WOW
Zu sehen
ab 15.11.2024

Der sechsteilige Politthriller spielt in Deutschland im Jahr 2005 und fußt auf dem gleichnamigen Buch von Peter Grandl.

Ephraim Zamir, der jüdische Protagonist, hat durch die Nationalsozialisten seine Familie verloren. Am Ende seiner beruflichen Laufbahn als Mossad-Agent und Nazijäger kehrt er nach Deutschland zurück. Hier wohnt er mit seiner erwachsenen Adoptivtochter, die bei einem Bombenattentat in Tel Aviv Gehör und Familie verlor, in einem massiv gesicherten Hochbunker. Als Zamir für den Bau einer Synagoge viel Geld spendet, gerät er ins Visier eines rechtsradikalen Netzwerks. Trickreich verschaffen sich Neonazis Zugang zu seiner Festung. Dort entgleitet die Situation. Es gelingt Zamir aber, zwei Angreifer zu überwältigen.
 

Trailer Turmschatten (Sky Deutschland, 05.09.2024)


Eine seiner Geiseln, der aggressive „Steiner“, wird gefesselt und ausgeliefert in zunehmender Verzweiflung gezeigt. Der großmäulige Täter wird zu einem großmäuligen Gefangenen, über dessen Leben oder Tod nun im Internet entschieden werden soll. Das gelangweilte Publikum sucht den Nervenkitzel in dem modernen Gladiatorenkampf und stimmt mit großer Mehrheit für seine Hinrichtung mit Giftgas. Am Ende der dritten Episode scheint Sympathieträger Zamir vom Opfer zum Täter geworden zu sein, der auf Rache und Selbstjustiz setzt. Mit seiner zweiten Geisel gewinnt der Schlagabtausch dann an Tiefe, während die Befreiungsaktion vor dem Hochbunker alle Beteiligten an ihre Grenzen treibt.

Zwischen den Fronten steht eine ehrgeizige Reporterin, die ihre Chance auf Quotenerfolg bei ihrem zwielichtigen Sender wittert. Medienkritisch zu verstehen ist auch die Abstimmung im Internet über die Hinrichtung der Geiseln.

Turmschatten ist eine klug konstruierte und aufwändig produzierte Serie mit vielschichtigen Charakteren. Es geht um Weisungsgebundenheit und persönliche Verantwortung, schwierige Entscheidungen, Fehler und Schuldgefühle auf den Lebenswegen, die sich hier kreuzen. Die Serie verdichtet Zeitgeschehen und ist letztlich ein Plädoyer für ein ziviles Aushandeln von Konflikten, frei nach der mehrfach zitierten Weisheit von Martin Luther King: „Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben – nur das Licht kann das.“

[mediendiskurs.online bietet ein Interview mit dem Regisseur Hannu Salonen: „Immer das Optimum“]

 

Freigegeben ab 12 Jahren | ab 20 Uhr
 

 

Kritisch diskutiert wurde die Darstellung der Neonazi-Szene mit entsprechenden Tattoos, Fahnen und Sprüchen, auch weil ein begeisterter 13-Jähriger mitläuft und Symbole verwendet werden, die ohne den gegebenen Kontext verfassungswidrig wären. Durch die Darstellung des konfliktbeladenen rechten Netzwerks und den Handlungskontext ist aber eine kritische Einordung gegeben, die auch ein junges Publikum erreicht. Zudem wird der Horror weder auf der Bild- noch auf der Tonebene ausgereizt, und der Selbstjustiz werden Grenzen aufgezeigt.

Für die Serie war eine Freigabe für das Hauptabendprogramm beantragt (20 bis 22 Uhr). In dieser Sendeschiene sind die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfähigkeiten von 12- bis 15‑Jährigen zu berücksichtigen, für die Turmschatten nicht gedacht und nicht gemacht ist und eine Überforderung darstellen kann. Dennoch ging der FSF-Prüfausschuss nicht von einer Entwicklungsbeeinträchtigung aus und kam zu dem Ergebnis, dass die Serie in der Primetime richtig platziert ist.

Über die Autorin:

Nach dem Studium an der Hochschule der Künste in Berlin arbeitete Susanne Bergmann viele Jahre als Medienpädagogin, u. a. im Jugendfilmstudio Berlin. Als freie Autorin schreibt sie seit 1994 für den Kinderfunk. Außerdem ist sie Prüferin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Jurorin beim Aki-Audiosiegel und ehrenamtliche Richterin am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.

Bitte beachten Sie:

Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.

Weiterlesen:   Sendezeiten und Altersfreigaben

 

Hinweis:

Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:   Jugendschutz bei Streamingdiensten