Abschied vom Irrwitz XXL

„SchleFaZ“ endet bei TELE 5

Uwe Breitenborn
SCHLEFAZ: AEROBICIDE (© RTL)
SchleFaz: Aerobicide
USA 1987Thriller
Anbieter
Tele5
Zu sehen
seit 26.07.2013

Zum Jahresende 2023 soll mit der „Schundfilm“-Orgie Schluss sein. WarnerBros. Discovery kündigte das Ende des populären Formats bei TELE 5 an. Seit 2013 existierte mit SchleFaZ (Die schlechtesten Filme aller Zeiten) diese sehr erfolgreiche Langstrecke grotesken TV-Budenzaubers bei dem Münchener Sender. Oliver Kalkofe und Peter Rütten, die Matadore dieses Irrsinns, zeigten sich betrübt, aber dennoch dankbar und erklärten bereits, dass sie weitermachen wollen (WarnerBros. Discovery 2023). Das sarkastische Format ist mittlerweile ein substanzieller Markenkern des Programmprofils von TELE 5. Ganz formidabel hatte der Sender auch hier aus der Not eine Tugend gemacht, da er über einen beträchtlichen Pool alter Filmlizenzen verfügte, die es zu vermarkten galt.

Die Idee zu diesem aberwitzigen Setting entwickelte Oliver Kalkofe gemeinsam mit dem TELE-5-Senderchef Kai Blasberg. In der Trash-Hommage steckt aber immer auch eine große Portion Liebe der Filmfreaks zum Kino. Das Prinzip ist immer gleich: Es wird ein „nicht ganz so gelungener Film“ angeboten, der „unfreiwillig skurril und komisch ist“, so TELE 5 in der Selbstbeschreibung. „Dazu gibt es, wie bei Fußball-Übertragungen, eine kurze Vor- und Nachberichterstattung (‚Was erwartet uns heute? Auf wen müssen wir besonders achten?‘) und in den ‚Halbzeit-Pausen‘ Analysen und Einordnungen. Dafür wird der Film unterbrochen und die TELE-5-Satiriker Oliver Kalkofe und Peter Rütten sagen uns, was sie vom Film halten. Oder sie spielen die besten Szenen noch einmal nach. Natürlich auf ihre unvergleichliche charmant-lustige Art. Besonders schlechte Szenen oder unlogische Handlungen werden dazu während des Films per Einblendung gekennzeichnet.“ (TELE 5 2023)
 

Cocktailaufsager SchleFaZ: Vier Fäuste schlagen wieder zu (TELE 5, 03.04.2023)



Achtziger und Siebziger dominieren

Als 2013 die Reihe begann, sorgte dies durchaus für Aufmerksamkeit, denn ein ironisches Großformat wie SchleFaZ kannte der deutsche TV-Markt bis dato nicht. Christian Buß schrieb zum SchleFaZ-Start im „Spiegel“:

„Ironie bis zum Erbrechen. Man muss diesen Pipi-Kacka-Kotze-Camp-Humor nicht teilen, um anzuerkennen, dass der Trash-Kanal TELE 5 damit eine ziemlich smarte Kampagne fährt: Wenn wir schon Schrott versenden, dann auch wirklich den schrottigsten Schrott.“ (Buß 2013).

Wenn am 27. Oktober 2023 die elfte und letzte Staffel des Formats mit der Ausstrahlung des italienischen Streifens Yeti – Der Schneemensch kommt (1977) zu Ende geht, werden insgesamt 160 Filme in dieser Reihe gelaufen sein. Bei Wikipedia sind all die B- und C-Movies sorgfältig aufgelistet. Die analytische Rekapitulation des Wahnsinns kann also beginnen. Beispielsweise lassen sich daraus interessante Statistiken stricken. Welche Jahrzehnte dominieren die Filmauswahl der Reihe? Klar, im Ranking sind die 1980er- und 1970er-Jahre vorn. Allerdings ist das letzte Jahrzehnt mit 34 Filmen auch recht stark repräsentiert.

  • 1980er: 45 Filme
  • 1970er: 43 Filme
  • 2010er: 34 Filme
  • 1990er: 15 Filme
  • 1960er: 11 Filme
  • 2000er: 9 Filme
  • 1950er: 3 Filme

Das Spektrum reicht dabei von Sexklamotten wie Lass jucken, Kumpel über Horrorkomödien à la Strippers vs Werewolves bis hin zu den absurden Sharknado-Filmen, die mittlerweile ein gewisses Alleinstellungsmerkmal besitzen. Diese erzielten innerhalb der Reihe die erfolgreichsten Quoten mit bis zu einer halben Million Zuschauer.
 

Fossiler Humor

Zuweilen wirkt SchleFaZ wie aus der Zeit gefallen. Schon die offensiven Trinkspiele sind angesichts heutiger Gesundheits- und Achtsamkeitsdiskurse eigentlich undenkbar, allerdings auch als Satire erkenntlich. Der Raum des Sagbaren ist durch das satirische Setting weit. Kalkofe und Rütten bedienen sich oft eines expliziten, zuweilen auch infantilen Vokabulars, weisen aber ebenso eine gewisse Sensibilität auf, indem sie besonders geschmacklose Aussagen kokett reflektieren. Insofern ist hier ein korrigierendes Distanzierungsmoment stets eingepreist. Und sie präsentieren launisch akribisch zusammengetragenes Filmwissen. Die Boomer-Generation feiert sich bei SchleFaZ selbst. Unbedingter Wille zum Witz, nerdige Detailbesessenheit und filmenzyklopädische Überlegenheitsgesten haben hier ihr sarkastisches Tête-à-Tête. Das Format scheint generationsübergreifend zu funktionieren (siehe #schlefaz). Es ist auch eine Art Bildungsfernsehen für jüngere Generationen. Hier können sie zwei Exemplare ihrer Vorfahren beobachten.

„Zwei selbstgerechte und ja: weiße Männer mittleren Alters, die ihre Werkschau allerdings ernster nehmen als sich selbst und damit angenehm offen lassen was unverdaulicher ist: die Kritiker oder das Kritisierte.“ (Freitag 2023)

 


Freigegeben ab 12 Jahren | ab 20 Uhr
Freigegeben ab 16 Jahren | ab 22 Uhr

 

SchleFaZ-Filme waren immer wieder auch Gegenstand von Prüfungen durch die FSF. Durch das ironische Setting wurde die Wirkmächtigkeit der Filme zumeist per se ausgesetzt. Schon die Rahmung durch die beiden Protagonisten sorgt dafür, dass Wirkungsrisiken wie Gewalt, Desorientierung oder Ängstigung kaum eindringlich wirken. Insofern waren antragsgemäße Freigaben, die zwischen Hauptabendprogramm (ab 20.00 Uhr) und Spätabendprogramm (ab 22.00 Uhr) changierten, die Regel. Es ist alles eine Frage des Kontextes. Denn eines zeigt SchleFaZ auch ganz deutlich: Dass sich die Bewertungen von Filmen wandeln. Was vor 30 Jahren noch grenzwertig erschien, weil es mit Gewalt oder Sexualität provozierte, erscheint heute zwar immer noch ungeheuerlich, aber aus anderen Gründen. Wie konnte uns so etwas begeistern? Oder: Wie konnte so etwas gedreht werden?

SchleFaZ ist also nicht nur die Stunde der wohligen Erinnerung, der abgründigen Neugier; es ist auch die Stunde der Reflexion. Und es kann die Stunde des Bruches sein. Eines lächerlichen Abschieds, der nicht für immer ist. Man kann auch die archivarische Qualität dieses Formats loben, denn es präsentiert uns Perlen und Fundstücke, die sonst kaum das Licht einer breiteren Öffentlichkeit finden würden. Auch das ist eine Art Medienbildung. Und so werden Kalkofe und Rütten weiterziehen, wohin auch immer. Ihre Fans ließen sie schon mal wissen: „Das schmucke Schlachtschiff #SchleFaZ wird trotz allem nicht untergehen, sondern nach einem neuen Heimathafen suchen und weiter live auf der Bühne die Welt des schlechten Films umsegeln. You Can’t Stop the #SchleFaZ!” (WarnerBros. Discovery 2023)
 

Über den Autor:

Dr. Uwe Breitenborn ist hauptamtlicher Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Dozent, Autor und Bildungsreferent bei der Medienwerkstatt Potsdam.

Bitte beachten Sie:

Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.

Weiterlesen:   Sendezeiten und Altersfreigaben

 

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Weiterlesen:   Jugendschutz bei Streamingdiensten