Disruption in Manhattan
Staffel 2 des Spin-offs „The Walking Dead: Dead City“

- The Walking Dead: Dead City
- USA 2023–Horror
- Anbieter
- MagentaTV
- Zu sehen
- ab 05.05.2025
Auch die zweite Staffel von The Walking Dead: Dead City ist ein klassisches Zombieüberlebensdrama, das sich genretypisch auf den etablierten Pfaden der Ursprungsserie bewegt. The Walking Dead: Dead City startete 2023 als viertes Spin-off des Serien-Blockbusters. Negan (Jeffrey Dean Morgan) und Maggie (Lauren Cohan) stehen erneut im Mittelpunkt. In Staffel 1 waren sie bei der Hershel-Rettung widerwillige Verbündete. Nun treffen sie sich im zombieverseuchten Manhattan wieder.
Hier herrschen die abgründige Dama (Lisa Emery) und der sadistische Kroate (Željko Ivanek). Als Gravitationszentrum von Disruption und Sadismus holen sie Negan in ihr „Team“. Das Trio versucht, eine Allianz mit verschiedenen Horden (Bruegel, Christos) gegen New Babylon zu schmieden. Die Grenzen zwischen Rache und Loyalität verschwimmen. Die komplexen Beziehungen aller Charaktere verleihen der Story einen düsteren emotionalen Drive.
Trailer The Walking Dead: Dead City (Staffel 2) (MagentaTV, 13.05.2025)
Der amerikanische Wahnsinn geht weiter
Wie immer verhandelt das Zombie-Franchise zuhauf ethische Diskurse angesichts des ordnungspolitischen und zivilisatorischen Kollapses. Die Staffel funktioniert auch als Parabel auf den Kulturkampf im heutigen Amerika – einem erbarmungslosen Schlagabtausch zwischen alter und neuer Welt. Letztere setzt auf die Zerstörung aller Regeln. Insbesondere die alte Lady Dama verkörpert furienhaft die Ideen der neuen Welt, die in Gestalt einer gnadenlosen Disruption daherkommt. Und so verwundert es nicht, wenn aus ihrem Mund ständig Worte wie „Revolution“ „Potenzial, sich neu zu erfinden“ „etwas Neues aufbauen“ „neue Regeln aufstellen“ „neue Menschen“ zu hören sind. Das apokalyptische Manhattan ist für sie ein freier Ort, für den es sich lohne, große Opfer zu bringen. Ihre Vorstellungen vom radikalen Bruch mit der „alten Welt formuliert sie allegorisch, wenn sie exemplarisch über den Genius Johann Sebastian Bach urteilt, dass dieser eben kein Revolutionär gewesen sei. Er habe nur das perfektioniert, was bereits existierte, anstatt die Welt voranzubringen, so Dama. Das ist der schrille Sound von Disruption.
Für den alten Haudegen der Bösartigkeit Negan ist das dystopische Manhattan ein Ort der Gesetzlosigkeit, doch ganz geschichtsvergessen ist er nicht. Er fällt einer ambivalenten Nachdenklichkeit anheim, die Spurenelemente von Skrupeln enthält. „Wir sind die Manifestation der Sünde“, so Negan. In einem kaputten Soziotop, in dem Disruption und Differenz das Nonplusultra sind, klingt das fast schon romantisch. Wer sich also in eine präapokalyptische Psycho-Session mit dem heutigen Amerika begeben möchte, ist hier goldrichtig.
Business as usual
Ansonsten bietet Staffel 2 alles, was die Fans der Serie erwarten: Zombies, Zombies, Zombies – dazu visuellen Realismus, Genre-Hybridisierung, gewagte Erzählbögen und Zivilisationsbrüche. Gesellschaftsexperimente werden unter Apokalypse-Bedingungen durchgespielt: von faschistoid bis sektenartig. Die Serie zeigt, wie Machtstrukturen auch in Miniaturgesellschaften korrumpieren können. Darüber hinaus hält die Staffel einige Überraschungen bereit, die hier natürlich nicht verraten werden.
Lucille is back
Bereits in der ersten Episode kehrt der berüchtigte, mit Stacheldraht umwickelte Baseballschläger namens Lucille zurück. Der Kroate präsentiert dem einsitzenden Negan eine neue Lucille mit den Worten, dass das Publikum am Ende immer nur die „greatest Hits“ sehen wolle. So ist es. Lucille ist im Walking Dead-Kosmos ein Symbol für rohe Gewalt und untrennbar verknüpft mit Negan. In der aktuellen zweiten Staffel markiert sie dessen düstere Geschichte, steht aber auch für seine Widersprüchlichkeit, denn Negan wirkt zurückhaltender. Eine gewisse Nachdenklichkeit ist ihm nicht abzusprechen. So fragt er sich, ob denn die guten Zeiten wirklich so gut waren – oder ob es uns nur leichter fällt, uns falsch zu erinnern. Als gingen seine Dämonen in die Knie, wirkt er zunehmend elegisch. Überhaupt ist das Figurenensemble von hohem Schauwert. Nicht nur Negan und Maggie kämpfen mit ihren Skrupeln. Die Spin-offs von The Walking Dead sind damit auch interessante Langzeit-Charakterstudien.
Freigegeben ab 16/18 Jahren | ab 22/23 Uhr
Es dominiert ein düsteres, apokalyptisches Setting. Das zumeist elegische Erzähltempo wird durch Gewaltakte unterbrochen, die meist zwischen Zombies und Menschen, bisweilen aber auch unter Menschen ausgetragen werden. Es ist davon auszugehen, dass viele jugendliche Zuschauer ab 16 Jahren mit der Serie vertraut sind und mittlerweile auch die Schockeffekte distanziert rezipieren können. Im Verlauf der Serienvita von The Walking Dead erfolgte eine Gewöhnung an die Zombiedarstellungen; sie sind ein etabliertes Figureninventar und wirken als erwartbare, teils groteske Horrorgestalten.
Das Töten der Zombies erfolgt häufig beiläufig, die Gewaltdarstellungen bewegen sich aufgrund ihrer stereotypen Inszenierung zumeist im Rahmen des im Spätabendprogramm Vertretbaren. Trotzdem bemüht sich die Serie immer wieder, Grenzen von Gewaltinszenierungen auszureizen – was dazu führte, dass eine Episode wegen der Ästhetisierung drastischer Gewalt auch erst ab 18 Jahren freigegeben wurde.
Insgesamt folgt die Inszenierung jedoch weitestgehend der etablierten Seriendramaturgie, sodass eine übermäßige Angsterzeugung für die Altersgruppe der ab 16-Jährigen ausgeschlossen werden kann. Die Dominanz von Gewalt als Mittel der Problemlösung ist auch für 16-Jährige ersichtlich dem Genre zuzuschreiben. Es ist davon auszugehen, dass weder eine Gewaltfaszination bedient noch eine Desensibilisierung gegenüber Gewaltdarstellungen befördert wird. Vielmehr ist Gewalt ein konstanter Teil der dystopischen Realität der Serie, in der die Grenzen einer ethischen Orientierung zwischen Gut und Böse verschwimmen. Diese serienimmanente Ambivalenz ist bei The Walking Dead typisch und wird auch von Jugendlichen ab 16 Jahren erkannt und im Kontext der Produktion eingeordnet. Ihnen ist eine ausreichende Medien- und Rahmungskompetenz zuzutrauen, um nicht nachhaltig in ihrer Entwicklung beeinträchtigt zu werden.
Über den Autor:
Dr. Uwe Breitenborn ist hauptamtlicher Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Dozent, Autor und Bildungsreferent bei der Medienwerkstatt Potsdam.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.
Weiterlesen: Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
Weiterlesen: Jugendschutz bei Streamingdiensten