„Schön“ um jeden Preis?
„The Price of Perfection“ mit Olivia Attwood geht in die zweite Runde

- The Price of Perfection – Olivia Attwood deckt auf
- USA 2025Dokumentation/Reportage
- Anbieter
- Sixx | Joyn
- Zu sehen
- ab 10.10.2025
In der zweiten Staffel von The Price of Perfection – Olivia Attwood deckt auf wirft die britische Moderatorin und Reality-Bekanntheit Olivia Attwood erneut einen ungeschönten Blick hinter die glänzenden Kulissen der Schönheitsindustrie. Sie spricht mit Menschen jeden Alters, die bereit sind, hohe Risiken für vermeintliche Makellosigkeit einzugehen – von minimalinvasiven Injektionen über mehrstündige Operationen bis hin zu viralen DIY-Beauty-Trends aus den sozialen Medien.
Es geht um Optimierung, um das Erreichen optischer Ideale, aber auch um den Wunsch nach mehr Selbstwert und Selbstliebe – doch zu welchem Preis? Schon früh zeigt sich: Geld spielt oft keine Rolle. Viele der Patient:innen berichten, lange und sorgfältig auf ihre Eingriffe gespart zu haben. Aussagen, die von Moderatorin Attwood als bewundernswert gelabelt werden – schließlich zeugt so eine Einstellung von hoher Selbstdisziplin – oder doch eher von einem verschobenen Selbstbild? Es sind Fragen, auf die das Format ambivalent antwortet.
Zwischen Kritik und Bewunderung
Attwood, die nach eigenen Angaben bereits mehrere Eingriffe hat vornehmen lassen, ist bei allen gezeigten Eingriffen live dabei. Ausgestattet mit OP-Kleidung beobachtet sie, wie Fett abgesaugt, Gesichter geliftet oder Brüste vergrößert werden. Nahezu Liveticker-artig kommentiert sie das Geschehen auf dem OP-Tisch. Eine kritische Komponente ist dabei durchaus erkennbar: Attwood spricht mit dem medizinischen Personal über mögliche Risiken und kommentiert, teils sichtlich ergriffen, die Intensität der Eingriffe anhand der blutigen OP-Bilder. Auf dem OP-Tisch wirkt das Ganze alles andere als glamourös – eher abschreckend.
Doch wie es bei Formaten dieser Art nun mal üblich ist, werden auch die beeindruckenden Nachherbilder gezeigt. Glückliche Patient:innen, die sich nun endlich „richtig wohl“ in ihrem Körper fühlen. Moderatorin Attwood versucht hierbei zuweilen, eine Art Korrektiv zu sein, etwa wenn sie hinterfragt, ob ein Eingriff tatsächlich notwendig ist, oder Risiken, wie im Falle eines umstrittenen Bräunungssprays, anspricht. Dennoch überwiegt ihre Faszination für das Gezeigte – bis zu dem Punkt, dass sie einige Eingriffe für sich selbst nicht ausschließt.
Trailer Olivia Attwood: The Price Of Perfection (Continuity Chronicles, 26.05.2025)
Die Frage nach dem Warum
Im Format selbst bekommen die Beweggründe der Patient:innen viel Raum. Schon in den ersten Episoden wird klar: Schönheitsoperationen kennen keine Altersgrenzen. Bereits mit Anfang 20 spüren viele den Druck, ihr Äußeres zu optimieren. Zugegeben: das überrascht mich zunächst. Waren Body-Positivity-Bewegungen in den letzten Jahren nicht überall endlich präsent? Waren wir nicht eigentlich schon weiter? Weg von Selbstoptimierung, veralteten Schönheitsklischees und Mainstream-Aussehen hin zu Vielfalt und Selbstliebe abseits des eigenen Erscheinungsbildes? Ja und nein. Denn scrollt man durch soziale Netzwerke, zeigt sich eine andere Realität: Lippenaufspritzen, Nasenkorrekturen oder Botox werden offen präsentiert. Die eigentliche Ironie hierbei: Die Eingriffe sollen ein möglichst natürliches Ergebnis erzielen. Bitte nicht „too much“, am besten soll es gar nicht nach einem Eingriff aussehen, Stichwort „Baby-Botox“. Hierbei wird im Gegensatz zum traditionellen Botox eine niedrigere Menge Botulinumtoxin verabreicht, um eine sanftere und „natürlichere“ Verjüngung zu erzielen, insbesondere bei jüngeren Patient:innen zwischen 20 und 30 Jahren. Auch die Patient:innen in Attwoods Format sprechen den sozialen Netzwerken eine gewisse Rolle in ihrer Entscheidung zu, etwa wenn sie über Plattformen wie TikTok und Co. virale Schönheitstrends als Inspiration ausgespielt bekommen oder nach ihren Eingriffen Anerkennung in Form von Likes und bestärkenden Kommentaren erhalten. Hierbei ist kein Preis zu hoch – es werden teilweise mehrere Zehntausend Euro investiert – mögliche finanzielle Risiken treten in den Hintergrund.
Ein Push für den eigenen Selbstwert
Die Hoffnung vieler Patient:innen: sich selbst wieder mehr lieben und akzeptieren zu können. In einigen Fällen folgt der Eingriff einem langen Leidensweg, der die Entscheidung nachvollziehbar macht. So berichten manche von überschüssiger Haut nach starker Gewichtsabnahme oder von Veränderungen nach Schwangerschaft und Stillzeit. Der Wunsch, sich attraktiv und wohl im eigenen Körper zu fühlen, steht im Vordergrund. Zu beurteilen, ob diese Eingriffe gerechtfertigt oder notwendig sind, wäre anmaßend. Das Format betont dazu immer wieder eine durchaus wichtige Botschaft: Jede Person sollte selbst über den eigenen Körper entscheiden dürfen.
Ein Resümee
„Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ – ein Spruch, der mir beim Resümee von The Price of Perfection recht schnell in den Sinn kommt. Jede:r von uns hat eine eigene individuelle Vorstellung von Schönheit. Und auch wenn im Format an vielen Stellen durchaus einseitige Schönheitsideale ausgekramt werden, bleibt doch die wichtige Erkenntnis: Es gibt keinen universellen Maßstab für Schönheit – und es sollte ihn auch nicht geben.
Freigegeben ab 12 und ab 16 Jahren | ab 20 Uhr und ab 22 Uhr
Das Reality-Dokuformat The Price of Perfection beschäftigt sich mit verschiedenen Schönheitseingriffen. Männer und Frauen unterschiedlichen Alters werden über ihre Behandlungen hinweg mit der Kamera begleitet. Gezeigt werden hierbei sowohl minimalinvasive als auch größere operative Eingriffe, wobei mehrmals blutige Nahaufnahmen und offene Körperstellen visualisiert werden.
Der dargestellte und thematisierte Normierungs- und Schönheitsdruck wird in Teilen kritisch betrachtet. Nachweislich gesundheitsschädliche Mittel wie beispielsweise die Nutzung von Solarien oder potenziell krebserregenden Bräunungssprays werden von Moderatorin Olivia Attwood eindeutig abgelehnt. Zudem werden die Risiken der Eingriffe von der Moderatorin oder dem ärztlichen Personal benannt. Dennoch ist durch die ambivalente Haltung Attwoods, die einige der Eingriffe bewundert und für sich selbst nicht ausschließt, kein eindeutiges Korrektiv gegeben.
Durch eine Vielzahl der gezeigten Eingriffe werden klassische Schönheitsideale reproduziert. Zwar sind einige Eingriffe medizinisch legitimiert, insgesamt geht es vordergründig um eine äußerliche Selbstoptimierung, die als Art Ausweg aus der eigenen inneren Unsicherheit affirmativ betrachtet wird. Die hohen finanzielle Kosten der Eingriffe werden transparent gehalten, mögliche finanzielle Risiken wie Verschuldungen hingegen nicht thematisiert.
Um die teils expliziten OP-Bilder ausreichend verarbeiten sowie die gezeigten Schönheitsideale kritisch hinterfragen zu können, ist ein Erfahrungshorizont älterer Jugendlicher ab 16 Jahren erforderlich, die bereits in ihrer eigenen körperlichen Entwicklung fortgeschritten sind. Dieser Altersgruppe kann zugetraut werden, die Visualisierungen und Schilderungen zur Selbstoptimierung vor dem Hintergrund einer erhöhten Medienkompetenz distanzierter einzuordnen.
Durch die teils empowernden Botschaften zur Selbstliebe und Selbstakzeptanz, auch abseits diverser Schönheitseingriffe, werden ältere Jugendliche nicht in ihrer Verarbeitungsfähigkeit überfordert. Die Mehrzahl der Episoden wurde somit ab 16 Jahren, verbunden mit einer Ausstrahlung im Spätabendprogramm (ab 22 Uhr) freigegeben. In einer Episode überwog die kritische Einstellung gegenüber Schönheitsoperationen sowie positiv-aufklärerische Botschaften, sodass diese eine Freigabe ab 12 Jahren für das Hauptabendprogramm (ab 20 Uhr) erhielt.
Über die Autorin:
Lena Wandner studierte Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt und ist Prüferin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Aktuell ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena tätig.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.
Weiterlesen: Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
Weiterlesen: Jugendschutz bei Streamingdiensten


