True-Crime-Formate: Kriterien, Standards, Good Practice


Wie entwickeln sich Bewertungskriterien, wenn sich gesellschaftliche Maßstäbe verschieben, z. B. in Bezug auf Sprache, Gender oder Darstellungen von sexueller Gewalt? Wie beeinflussen persönliche Haltungen und Sichtweisen die Anwendung von Kriterien? Wie kann man aufnehmen, dass auch die Nutzungsweisen und Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen sich verändern – und wie kann man sie einbeziehen? Diese Fragen waren Ausgangspunkte für ein Forschungs- und Praxisprojekt zu True-Crime-Formaten, das 2022 von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) initiiert wurde. Aus den Ergebnissen lassen sich Schlüsse für die Bewertung der Inhalte und für Good-Practice-Ansätze für die Produktion ziehen.
 

Genreboom „True Crime“

Geschichten von wahren Verbrechen boomen, in Podcasts, Filmen und Fernsehsendungen. True-Crime-Formate stellen auch einen wachsenden Anteil an den FSF-Prüfungen dar. Entsprechend der inhaltlichen und formalen Vielfalt des Genres variieren die Ergebnisse zwischen Freigaben ab 12 und ab 18 Jahren. Wirkungsrisiken werden vor allem in einer potenziellen Ängstigung durch belastende Themen oder drastische Bilder gesehen sowie in desorientierenden Effekten, z. B. der Verharmlosung oder Verherrlichung von Gewalt, der Konstruktion von Täter:innen und Feindbildern oder verzerrten Vorstellungen von Kriminalität und der Betroffenheit der eigenen Person. Darüber hinaus sind z. T. Fragen der Unzulässigkeit berührt, beispielsweise wegen des Verstoßes gegen die Menschenwürde.
 

Forschungsprojekt „True Crime“

Ziel des Projekts war und ist es, das Genre „True Crime“ und die Genrekompetenzen von Heranwachsenden näher zu beleuchten, um Bewertungskriterien zu präzisieren und Good-Practice-Ansätze zu entwickeln.
 

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die bisherigen Kriterien der FSF das Genrefeld im Wesentlichen abdecken.

Die Systematisierung von dramaturgischen Modulen und formalen Gestaltungsweisen in Verbindung mit unterschiedlichen Wirkprozessen erweist sich darüber hinaus als geeignete Grundlage für eine differenziertere Betrachtung. Es liegt nun beim Kuratorium der FSF, konkrete Schlussfolgerungen abzuleiten und ein Kriteriengerüst oder Produktionsstandards zu entwickeln. Inwieweit wiederkehrende Narrative, z. B. des männlichen Täters und weiblichen Opfers, überhaupt einbezogen werden können oder sollen, ist offen.
 

Reader True Crime

Im True-Crime-Reader sind die Einschätzungen der im Forschungs- und Praxisprojekt mitwirkenden Expertinnen und Experten zusammengefasst. Dr. Jürgen Grimm, Dr. Ingrid Stapf und Dr. Christine Linke stellen ihre Überlegungen zu Bewertungsmaßstäben und Wirkungshypothesen in den Prüfgutachten der FSF zu True-Crime-Formaten vor, Achim Lauber, Lena Schmidt und Stoyan Radoslavov berichten, wie Jugendliche True Crime wahrnehmen, und Eva Maria Lütticke fasst Ergebnisse ihrer Untersuchung der individuellen Wirkungshypothesen von Prüfenden zusammen.

True-Crime-Reader