Menschenwürde: unantastbar, aber kaum fassbar
medien impuls von FSF und FSM zum schwierigen Umgang mit dem höchsten Verfassungsgut
Pressemitteilung vom 28.11.2014
Vor laufenden Kameras werden wehrlose Kinder verprügelt, Menschen gedemütigt, gequält, getötet. Hemmschwellen in den Medien sinken. Die Würde des Menschen, als „unantastbar“ vom Grundgesetz geschützt, wird zunehmend mit Füßen getreten. Doch was ist das eigentlich: Menschenwürde? Jeder glaubt es zu wissen, doch niemand kann den Begriff klar definieren.
Prof. Joachim von Gottberg, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), machte in seiner Einführung deutlich, dass die Frage, ob Medieninhalte gegen den Schutz der Menschenwürde verstoßen, immer häufiger gestellt wird. Im Grundgesetz als „unantastbar“ geschützt, ist die Feststellung der Menschenwürdeverletzung in der Praxis allerdings schwierig. Oft wird ein Menschenwürdeverstoß diskutiert, wenn eine gefühlte Grenze des Zulässigen überschritten ist, aber klare Kriterien für die Ablehnung fehlen. In vielen Fällen stellt sich darüber hinaus die Frage, wie notwendige mediale Berichterstattung, die über Missstände aufklärt, von der Verletzung der Menschenwürde zu trennen ist.
Der Kieler Rechtsphilosoph und juristische Grundlagenforscher Prof. Dr. Dr. Ino Augsberg forderte einen äußerst sparsamen Einsatz des höchsten Verfassungsguts als „last line of defence für das, was wir früher als Grenzen des guten Geschmacks bezeichnet haben“. Er erläuterte, dass aus Sicht des Verfassungsgerichts die Menschenwürde nicht gegeneinander abwägbar ist. Eine Definition der Menschenwürde würde automatisch zu einer Ausgrenzung derer führen, die nicht in der Definition erfasst sind.
In die „Definitionsfalle“ dürfe man nie tappen, warnte Dr. Mark D. Cole, Professor an der Universität Luxemburg und Wissenschaftlicher Direktor des Saarbrücker Instituts für Europäisches Medienrecht. So sehr sich hier die Prüfer der Freiwilligen Selbstkontrollen ein klares Instrumentarium zur Freigabe strittiger Inhalte wünschten: „Es bleibt nur die Einzelfallentscheidung.“ Dabei könne es, so Cole, durchaus national unterschiedliche Wahrnehmungen geben. Die Europäische Union sei zwar ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, „aber kein gemeinsamer Menschenwürdemarkt“.
Auch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) greift eher selten zu der Menschwürdebegründung, berichtete deren stellvertretender Vorsitzender Andreas Fischer. Dann freilich gelte: „Die Dosis macht das Gift“, wenn zum Beispiel bei der Sendung Die Super Nanny Szenen einer gewalttätigen Mutter mit extrem dramatischer Musikuntermalung mehrfach wiederholt würden.
Selbst die wiederholte Darstellung extremer Gewalt könne in Medien notwendig sein, sagte Rechtsanwalt Prof. Dr. Oliver Castendyk von der Allianz Deutscher Produzenten. So habe letztlich die öffentliche Empörung über „furchtbare Bilder aus dem Vietnamkrieg“ zum Ende des Grauens geführt.
Der medien impuls endete mit Beispielen aus der Prüfpraxis von FSM und FSF, an denen sich ein lebhafter Diskurs über die Kriterien entzündete. Dabei betonte Claudia Mikat, Leiterin der FSF-Programmprüfung und hauptamtliche Vorsitzende in den Prüfausschüssen, die große Bedeutung des Rezipientenschutzes. Otto Vollmers, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) berichtete von den Problemen in der Prüfpraxis im Internet, die beim Entfernen brutaler Videoclips aus dem Internet oder bei dem Versuch, gegen die Urheber vorzugehen, auftauchen können: „Oft sind die Inhalte schon vielfach kopiert und online verbreitet, wenn die FSM davon erfährt. Die eigentliche Quelle des vorgelegten Inhalts zu ermitteln ist häufig nicht möglich.“
Über die FSF
Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) ist die anerkannte Selbstkontrolleinrichtung der privaten Fernsehanbieter. Kern ihrer Arbeit ist die Prüfung von Sendungen unter Jugendschutzgesichtspunkten vor der Ausstrahlung. Darüber hinaus fördert sie den wissenschaftlichen Diskurs über Medienwirkungen und erstellt neben inhaltlichen Fachpublikationen zahlreiche Materialien für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit.
Kontakt:
FSF e.V., Camilla Graubner, Tel. 030 23 08 36 - 60, E-Mail: graubnerc@fsf.de
Über die FSM
Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) ist eine anerkannte Selbstkontrolleinrichtung für den Bereich Telemedien. Der Verein engagiert sich maßgeblich für den Jugendmedienschutz – insbesondere die Bekämpfung illegaler, jugendgefährdender und entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte in Onlinemedien. Dazu betreibt die FSM eine Beschwerdestelle, an die sich jedermann kostenlos wenden kann, um jugendgefährdende Onlineinhalte zu melden. Die umfangreiche Aufklärungsarbeit und Medienkompetenzförderung von Kindern gehören zu den weiteren Aufgaben der FSM.
Kontakt:
FSM e.V., Katja Lange, Tel.: 030 24 04 84 - 43, E-Mail: lange@fsm.de, @FSM_de
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