10 Jahre FSF – Was nützt die Wissenschaft dem Jugendschutz?

Von jeher sorgt sich der Jugendschutz um eine positive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hin zu eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten. Im Medienbereich wird versucht, den Konsum von Filmen, Computerspielen oder Fernsehsendungen nach bestimmten Altersgruppen zu regulieren. Doch wie wirken Filme und Computerspiele auf Mädchen und Jungen? Welche Inhalte sind für sie förderlich, welche können ihre Entwicklung beeinträchtigen? Ist die Verarbeitungsfähigkeit von bestimmten Inhalten tatsächlich vom Alter abhängig oder eher von individuellen Persönlichkeitsstrukturen oder sozialen Erfahrungen? Die Institutionen des Jugendschutzes haben in mehr als 50 Jahren eine Spruchpraxis entwickelt, aus der sich plausible Grundannahmen herauslesen lassen. Die Darstellungen von Gewalt oder Sexualität werden nicht prinzipiell abgelehnt, sondern im Hinblick auf vermutete negative Einflussfaktoren überprüft. Dabei wird auf schwer zu verarbeitende Angst auslösende Momente ebenso geachtet wie auf mögliche Botschaften der Gewaltbefürwortung oder die Vermittlung eines gesellschaftlich allgemein nicht akzeptierten Rollenverhaltens.

Die Prüferinnen und Prüfer bei FSK, FSF, USK oder FSM ziehen bei ihrer Bewertung von Medien und deren Wirkung auf Kinder und Jugendliche wissenschaftliche Erkenntnisse hinzu. Von besonderer Bedeutung sind dabei Annahmen aus der Entwicklungspsychologie, der Medienwirkungsforschung oder der Rezeptionsforschung. Neben der Spruchpraxis des Jugendschutzes und dem Erfahrungshorizont der Prüfer fließen die Erkenntnisse aus den hier genannten Wissenschaftsbereichen in die Prüfungen mit ein.

Nun werden die wenigsten wissenschaftlichen Studien speziell unter Aspekten des Jugendschutzes durchgeführt. Die Wissenschaft trifft eher allgemeine Aussagen zu Fragen der Medienwirkung. Bei der Formulierung von Prüfgrundsätzen wird versucht, diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Prüfkriterien so zu konkretisieren, dass sie bei der Prüfung von Filmen, Spielen oder Sendungen direkt anzuwenden sind.

Allerdings nutzt der beste Jugendschutz wenig, wenn die Öffentlichkeit ihn nicht akzeptiert. Während die Prüferinnen und Prüfer der Jugendschutzinstitutionen um Differenzierungen bemüht sind, sucht ein Teil der Öffentlichkeit nach einfachen kausalen Zusammenhängen zwischen realem Verhalten und medialen Vorgaben und wirft dem Jugendschutz zuweilen vor, nicht streng genug zu sein. Gleichzeitig beschweren sich andere über eine Bevormundung durch die Altersbeschränkungen und kritisieren vor allem die aus Jugendschutzgründen durchgeführten Schnittbearbeitungen von Filmen. 

Wie viel Jugendschutz ist richtig, nach welchen Kriterien soll er arbeiten? Geht der Jugendschutz von wissenschaftlich vertretbaren Wirkungsannahmen aus, ist er zu streng oder sollte er mediale Gewaltdarstellungen großzügiger tolerieren? Diese Fragen wurden zum 10-jährigen Bestehen der FSF an Wissenschaftler und Praktiker gleichermaßen gestellt.

Die Veranstaltung fand am 25. Mai 2004 statt.

Vorträge

Nach 10 Jahren FSF: Das neue Verhältnis zwischen Selbstkontrolle und staatlicher Aufsicht
Joachim von Gottberg
 Geschäftsführer der FSF

Warum Selbstkontrolle? Rückblick und Perspektiven aus Sicht der Mitgliedssender
Jürgen Doetz
Präsident des VPRT

Das Verhältnis von FSF und KJM 
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring
Vorsitzender der KJM

Verbieten oder empfehlen. Ist der Jugendschutz noch zeitgemäß?
Thomas Krüger
Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung

So nah und doch so fern: Fragen an die Wissenschaft aus Sicht der Praxis
Andrea Urban
Leiterin der Landesstelle Jugendschutz Hannover und Vorsitzende des FSF-Kuratoriums

Zu viele Gewaltmodelle für Risikogruppen: Gewaltdarstellungen haben Wirkungen
Prof. Dr. Jo Groebel
Generaldirektor des Europäischen Medieninstituts Düsseldorf/Paris

Kausalbeziehungen: Fiktion oder Realität? 
Prof. Dr. Dieter Lenzen
Präsident der Freien Universität Berlin 

Gedeih oder Verderb? Die Bedeutung der Medien in der Kultur
Prof. Dr. Thomas Macho
Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin

Welche Theorie hätten Sie denn gerne? Eine Roadmap für die Praxis

Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Dieter Dörr (Universität Mainz), Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Medien NRW), Claudia Mikat (FSF) und Christiane von Wahlert (SPIO).

Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Michaelis (Universität Augsburg)