Geschmacksfrage oder Gefährdungsrisiko?
Zur Bewertung von potenziell desorientierendem Verhalten in Reality-Formaten
Workshop für Prüfende der FSF, FSM und KJM mit zwei Vorträgen und drei Arbeitsgruppen
30. Mai 2022, 11:00 bis 16:00 Uhr
Für alle Interessierten, die an der Veranstaltung nicht teilnehmen können, werden wir im Laufe des Jahres weitere Online-Workshops zu den Themen der Tagung anbieten. In diesen Veranstaltungen werden die Beispiele aus den Workshops gezeigt und diskutiert, Ausschnitte aus den Vorträgen gezeigt und zentrale Ergebnisse referiert.
Reality-Formate wie Promis unter Palmen (Sat.1), Sommerhaus der Stars (RTL), Plötzlich arm, plötzlich reich (Sat.1), Joko und Klaas: Das Duell um die Welt (ProSieben) sowie viele andere Dating- und Beziehungsshows wurden von den Landesmedienanstalten, der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) und der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) in den vergangenen Jahren wiederholt diskutiert. Der Grund ist, dass Formate dieser Art in unterschiedlichem Maß problematische Entgleisungen, Sexualisierungen, ausschweifenden Alkoholkonsum oder Risikoverhalten zeigen. Während diese Verhaltensweisen im realen Leben meist sozial sanktioniert werden, stellen sie im Kontext der Shows eventuell einen Rezeptionsanreiz dar. In den letzten Jahren kann jedoch auch ein gegenläufiger Trend festgestellt werden, so bemühen sich beispielsweise Formate wie Germanys Next Topmodel (ProSieben) um eine respektvollere Darstellung und einen diverseren Cast ihrer Protagonistinnen und Protagonisten.
Die Veranstaltung möchte den schmalen Grat zwischen legitimer Unterhaltung und der Verletzung ethischer Grenzen näher beleuchten. Realityshows erzielen im Fernsehen beträchtliche Zuschauerzahlen und finden Eingang in die Onlinewelt. Auszüge der Sendungen finden sich als Memes, kurze Schnipsel oder Best-of-Zusammenschnitte vielfach im Netz, Show-Teilnehmende artikulieren sich in sozialen Netzwerken und erhöhen damit ihren Bekanntheitsgrad. Diese Formen der Bearbeitung können die TV-Inszenierung einordnen, Kritik üben und Debatten anstoßen. Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass problematische Verhaltensweisen verstärkt werden und so salonfähig oder nachahmenswert erscheinen.
Aus Sicht des Kinder- und Jugendschutzes stellt sich die Frage, wie solche Formate gem. § 5 Abs. 1 JMStV (Entwicklungsbeeintächtigende Angebote) zu bewerten sind: Welche Aspekte können die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten beeinträchtigen, welche Faktoren wirken relativierend? Welche Inhalte und Persönlichkeiten sprechen Kinder und Jugendliche an und welche bewirken, dass sie eher auf Distanz gehen? Und wo genau liegt die Schwelle von Inhalten, die lediglich geschmacklich strittig sind zu solchen mit eindeutiger Kinder- und Jugendschutzrelevanz?
Diesen Fragen soll in der gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung nachgegangen werden. Im Vordergrund stehen dabei konkrete Sende- bzw. Telemedienbeispiele und die Diskussion wirkungsrelevanter Aspekte: Wie bewerten die Prüfenden von KJM, FSF und FSM die einzelnen Inhalte und warum werden sie für welches Alter als beeinträchtigend oder harmlos eingeschätzt?
Programm
11:00 Uhr | Begrüßung, Anlass und Ziel der Veranstaltung: Claudia Mikat (FSF-Geschäftsführerin) und Martin Drechsler (FSM-Geschäftsführer) |
11:10 Uhr | Vortrag: Dr. Laura Sūna (Universität Siegen): Guilty Pleasure. Reality-Formate auf dem Bildschirm und warum Zuschauer sich Rituale der Beschämung oder Demütigung anschauen |
11:50 Uhr | Vortrag: Prof. Dr. Herbert Scheithauer (FU Berlin): Antisoziales Verhalten in Reality-Formaten und in Sozialen Netzwerken. Wirkungsrisiken für Kinder und Jugendliche aus entwicklungspsychologischer Sicht |
12:30 Uhr | Mittagspause mit Imbiss vor Ort |
13:15 Uhr | Arbeitsgruppen Phase 1: AG 1: Sexualisierung und Genderklischees AG 2: Unscripted Social Media? Antisoziales Verhalten und problematische Inhalte in Online-Formaten und sozialen Netzwerken AG 3: Risiken medialer Darstellungen von Alkohol- und Drogenkonsum |
14:15 Uhr | Kaffeepause |
14:30 Uhr | Arbeitsgruppen Phase 2 (wie Phase 1) |
15:30 Uhr | Plenum, drei Beobachtende berichten aus den Arbeitsgruppen |
15:45 Uhr | Fazit, Ausblick, Verabschiedung: Dr. Marc Jan Eumann (KJM-Vorsitzender) |
16:00 Uhr | Ende der Veranstaltung |
Veranstaltungsbericht in mediendiskurs.online
David Assmann: Grenzfälle und Grauzonen