Tabuthema Tod. Präsent in den Medien, verdrängt im Alltag
tv impuls am 15. Dezember 2006
Der Tod und das Sterben werden in unserem Alltag ausgeblendet. Gestorben wird in Kliniken, Leichen werden professionell versorgt und nur noch selten aufgebahrt. Vermutlich hat der größte Teil junger Menschen noch nie einen Toten gesehen oder gar das Sterben miterlebt. Kaum jemand kennt einen Menschen, der gewaltsam getötet oder gar vorsätzlich ermordet wurde.
In den Medien hingegen ist der Tod Normalität. Im Fernsehen oder Internet erleben wir Terrorakte, Katastrophen, Unfälle, Verbrechen und Kriege, Actionfilme und Krimis. In letzter Zeit stehen auch Pathologen (zum Beispiel C.S.I.) oder Beerdingungsinstitute (Six Feet Under) im Mittelpunkt von Filmen oder Serien. Es scheint dem Zuschauer Genuss zu bereiten, Geschichten von Tod, Schmerz und Verbrechen mitzuerleben, die er im realen Leben als unvorstellbare Tragödie bezeichnen würde. Es scheint geradezu eine thematische Verschiebung des Themas "Tod und Sterben" aus der Realität in die Medien stattzufinden.
In welcher Beziehung steht die Allgegenwart des Sterbens in den Medien mit der Verdrängung des Todes in der Realität? Brauchen wir das mediale Sterben, weil wir so symbolisch das verarbeiten, was uns real nicht mehr gelingt? Oder bedienen sich die Medien des Themas, weil Tabuthemen immer hohe Aufmerksamkeit garantieren?
Die Bedeutung und die Wirkung medialer Darstellungen von Verbrechen – von Tätern oder Opfern – ist ein zentrales Thema des Jugendschutzes. Kinder und Jugendliche könnten Ängste entwickeln, die nicht zu verarbeiten sind, oder die Botschaft wahrnehmen, Gewalt sei ein normales und erlaubtes Mittel, um Konflikte zu lösen. Um solche Wirkungsrisiken besser zu verstehen, wurde der Frage nachgegangen, was die Zuschauer motiviert, sich medial immer wieder mit dem Sterben zu konfrontieren. Die Tagung fand am 15. Dezember 2006 statt.
Die Normalität des Unvorstellbaren. Der Umgang mit Tod und Trauer in der modernen Gesellschaft
Dr. Rolf-Peter Lange studierte Politik, Soziologie und Geschichte. 1989 wechselte er in die Bestattungsbranche. Seit 1994 ist er der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Bestattungsunternehmen e.V.
Der Tod als Teil des Lebens. Zum Umgang mit dem Sterben in den Kulturen
Dr. Thomas Macho ist Professor für Kulturgeschichte am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Er hat 1976 an der Universität Wien promoviert und 1983 in Klagenfurt für das Fach Philosophie mit der Schrift Von den Metaphern des Todes. Eine Phänomenologie der Grenzerfahrung habilitiert.
Tabu in der Realität, normal in den Medien. Darstellungsformen des Todes in Filmen und Serien
Markus Gaitzsch ist Stellvertretender Leiter der Abteilung Jugendschutz und Programmberatung bei ProSieben. Er studierte Philosophie, Germanistik, Evangelische Theologie und Pädagogik in Frankfurt/M., Tübingen, Marburg und Bonn. Seit 1999 hat er verschiedene Dozententätigkeiten an den Universitäten Mannheim, Augsburg und Wien übernommen.
Die Aussagen der Toten über das Leben. Pathologie als Thema aktueller Fernsehserien
Tina Weber studierte Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2006 ist sie dort auch Lehrbeauftragte. Sie verfasst zurzeit ihre Dissertation zum Thema Codierung des Todes. Zusammenhänge von filmischen Inszenierungen des Todes und kulturellen Umgangsformen mit dem Tod.
Persönliche Erfahrung, religiöse und kulturelle Prägungen – wie Kinder und Jugendliche Todesdarstellungen im Film verarbeiten
Alexander Geimer studierte Soziologie und Neuere Deutsche Literatur an der Universität Tübingen. Seit 2005 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem DFG-Projekt Kommunikatbildungsprozesse Jugendlicher zur Todesthematik und filmische Instruktionsmuster an der Freien Universität Berlin. Schwerpunktmäßig befasst er sich mit Mediensoziologie, Medienpädagogik, Aneignungsforschung sowie Medien- und Filmtheorie.
Steffen Lepa studierte Medienwissenschaften, Psychologie und Medientechnik an der Hochschule für Bildende Künste und der Technischen Universität Braunschweig sowie Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Seit 2005 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem DFG-Projekt Kommunikatbildungsprozesse Jugendlicher zur Todesthematik und filmische Instruktionsmuster an der Freien Universität Berlin. Er befasst sich mit den Schwerpunkten Medienpsychologie, Medienpädagogik, Rezeptionsforschung sowie Jugend- und Populärkultur.
Konfrontieren oder schützen? Der mediale Tod als Gegenstand des Jugendschutzes
Podiumsdiskussion mit Susanne Bergmann (freie Autorin, Prüferin bei der FSF), Dr. Achim Hackenberg (Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Roland Rosenstock (Universität Greifswald), Prof. Dr. Uwe Sander (Universität Bielefeld) und Verena Weigand (Kommission für Jugendmedienschutz).
Moderation: Prof. Joachim von Gottberg (FSF, Berlin)
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) statt.