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Sexualität und Geschlechterbeziehungen

 

Sexualität ist kein Tabu

Es ist nicht Aufgabe des Jugendschutzes, Kinder und Jugendliche vor Darstellungen von Sexualität zu bewahren. Das wäre in unserer Gesellschaft auch kaum möglich, denn wir sind von sexuellen Reizen umgeben. Die Medien zeigen die unterschiedlichsten sexuellen und geschlechtlichen Lebensformen und Beziehungsmuster. Sexuelle Darstellungen und Themen begegnen uns auf großflächigen Werbeplakaten, in Zeitschriften und Romanen, in Kinofilmen und nahezu allen Genres des Fernsehens. Die Vorstellungen von Sexualmoral und „angemessenen“ oder „altersadäquaten“ Informationen über Sexualität liegen in der Gesellschaft weit auseinander. Entsprechend geht es im Jugendschutz nicht darum, durch Beschränkungen eine bestimmte gesellschaftliche Moral zu unterstützen. Auch sollen Minderjährigen nicht etwa Informationen über sexuelle Orientierungen oder Formen des Zusammenlebens von Sexualpartnern vorenthalten werden. Vielmehr gilt: Solange Menschen sexuell selbstbestimmt und in gegenseitiger Übereinkunft handeln, kann bei der Bewertung von Sexualität in den Medien größere Toleranz gewährt werden.

Grenzen der Toleranz: Wirkungsrisiken

Nach verfassungsrechtlichen Vorgaben sind bei der Thematisierung oder Darstellung von Sexualität die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit der Geschlechter und der Schutz von Ehe und Familie zu berücksichtigen. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen die Entwicklung zu einer eigenen, selbstbestimmten und partnerschaftlichen Sexualität zu ermöglichen. Entsprechend ist bei der Prüfung zu entscheiden, welche Informationen und Darstellungen von der jeweiligen Altersgruppe nicht adäquat verarbeitet werden können, sodass sich ein verzerrtes Bild von Sexualität und Geschlechterbeziehungen vermittelt.

So kann die Darstellung eines drastischen Sexualaktes jüngeren Kindern gewaltvoll erscheinen und sie ängstigen; die Verbindung von Sexualität und Leistungsdenken kann Ängste und Erwartungsdruck in Bezug auf Sexualität erhöhen; stereotype Geschlechterrollen, die als gesellschaftlich normal und akzeptiert dargestellt werden, können zur Entwicklung diskriminierender Verhaltensmuster führen. Wenn der Mensch zum Objekt herabgewürdigt wird, kann die Menschenwürde verletzt sein. Aus diesem Grund sind Angebote, die eine sexuelle Selbstbestimmtheit im Gesamtkontext verneinen, für die Ausstrahlung im Fernsehen unzulässig.

Generell ist bei der Prüfung zu entscheiden, ob ein Angebot geeignet ist, Einstellungen oder Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen der entsprechenden Altersgruppen nachhaltig zu beeinflussen.

Altersfreigaben

Kinder ab 6 Jahren 

Kinder ab 6 Jahren verfügen in der Regel über sexuelle Erfahrungen mit sich selbst und mit Gleichaltrigen (Doktorspiele). Im Grundschulalter bilden sich grundlegende Vorstellungen von partnerschaftlichem, familiärem und sexuellem Leben heraus. Dabei schöpfen Kinder ihr sexuelles Wissen aus verschiedenen Quellen des familiären wie schulischen Umfeldes sowie aus den Medien.

Sexualthematische Medieninhalte können daher nicht für jüngere Kinder freigegeben werden, wenn sie

  • grundlegende Werte wie Gleichberechtigung, Partnerschaftlichkeit, Selbstbestimmung oder die Bedeutung von Gefühlen in zwischenmenschlichen Beziehungen negieren;
  • die Bedeutung von Sexualität überhöhen, ohne eine Kindern verständliche relativierende Orientierung zu bieten;
  • Darstellungen enthalten, die so drastisch sind, dass sie Kinder übermäßig  ängstigen.

Bei sexualisierter Sprache ist davon auszugehen, dass bereits Grundschulkinder vulgäre Ausdrücke kennen und sie z.T. verwenden, um zu provozieren. Sexualisierte Begrifflichkeiten können für jüngere Kinder nicht freigegeben werden, wenn sie mit Diskriminierungen und degradierenden oder aggressiven Impulsen verbunden sind und unwidersprochen bleiben. Es besteht die Gefahr, dass Kinder diese Form der Kommunikation als normale und akzeptierte Sprechweise und Haltung ernst nehmen.

Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren

Zwischen 12 und 15 Jahren sind die Entwicklungsunterschiede erheblich. Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe müssen erst die  physische und psychische Reife entwickeln, um selbst bestimmen zu können, ob und in welchen Zusammenhängen sie sexuelle Beziehungen eingehen. Damit sich die Persönlichkeit frei entfalten kann, sollte  kein Druck hinsichtlich erster sexueller Erfahrungen und der Entwicklung von Sexualität aufgebaut werden. Die 12- bis 15-Jährigen sollten ermutigt werden, sich nicht zu sexuellen Handlungen drängen zu lassen. Sie sollten nicht durch mediale Darstellungen dazu animiert werden, sexuelle Beziehungen nur einzugehen, um den eigenen Selbstwert zu steigern. Deshalb sollte sich das vermittelte Bild von Sexualität und Beziehungsgeschehen an den Werten Gleichberechtigung, Toleranz und Partnerschaftlichkeit orientieren.

Sexualthematische Medieninhalte können vor diesem Hintergrund nicht für unter 16-Jährige freigegeben werden, wenn sie

  • stereotype Geschlechterrollen mit diskriminierenden Verhaltensmustern vermitteln und als normal und akzeptiert erscheinen lassen;
  • Lebenskonzepte, sexuelle Verhaltensweisen oder Praktiken als normal darstellen, die ihren Erfahrungen und Vorstellungen von Normalität entscheidend widersprechen;
  • sexuelles Verhalten und sexuelle Erfahrungen bei Jugendlichen als erstrebenswert überbetonen;
  • sexuelle Handlungen auf Drängen eines Partners oder durch das Ausnutzen von Macht, durch Geld oder mit Gewalt darstellen und nicht relativieren bzw. negativ bewerten;
  • vulgäre, sexualisierte Sprache mit Degradierungen verbinden.

Jugendliche ab 16 Jahren

Viele ältere Jugendliche ab 16 Jahren verfügen bereits über erste sexuelle Erfahrungen mit einem Partner. Sie können die Alltagsrelevanz von Medieninhalten besser einschätzen und haben grundlegende Werteorientierungen entwickelt, die ihnen die Einordnung auch problematischer Darstellungen von Sexualität und Geschlechterbeziehungen ermöglichen. Trotzdem befindet sich die Sexualität in der Entwicklung und Jugendliche dieser Altersgruppe sind empfänglich für die verschiedensten Orientierungen. Im Interesse einer selbstbestimmten und gleichberechtigten Sexualität sollten sie auch für die Interessen und Grenzen anderer sensibilisiert werden.

Sexualthematische Medieninhalte können daher nicht für 16-Jährige freigegeben werden, wenn sie

  • die oben angeführten Merkmale, die schon gegen eine Freigabe für unter 16-Jährige sprechen, in besonderem Maße bzw. eine Mehrzahl von ihnen aufweisen oder eine hohe Jugendaffinität besitzen – etwa durch attraktive Identifikationsfiguren;
  • bestimmte sexuelle Praktiken nicht nur darstellen und thematisieren, sondern durch den Gesamtkontext den Eindruck erwecken, sie seien gegenüber anderen Praktiken vorzuziehen;
  • die Bedeutung sexueller Lust für zwischenmenschliche Beziehungen überhöht darstellen und Gefühle sowie Verantwortung in Beziehungen ignorieren oder sogar negieren.

Im Fernsehen unzulässig

Bei grob aufdringlichen Darstellungen sexueller Handlungen ist zu prüfen, ob das Angebot pornografisch ist und damit eine Sendeunzulässigkeit in Betracht kommt. Pornografisch sind Programme, „die kinderpornografisch im Sinne des § 184 b Abs. 1 StGB oder jugendpornografisch im Sinne des § 184 c Abs. 1 StGB sind oder pornografisch sind und Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen“ (§ 29 Abs. 10 PrO-FSF; § 4 Abs. 1 Nr. 10; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JMStV; vgl. auch  FAQ zu Pornografie).

Über pornografische Darstellungen hinaus sind Programme gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 PrO-FSF unzulässig, die

  • physische und sonstige Gewalt zur Durchsetzung sexueller Interessen befürworten;
  • Vergewaltigung als lustvoll für das Opfer erscheinen lassen;
  • ihrer Gesamttendenz nach ein Geschlecht degradieren;
  • in erheblichem Umfang Darstellungen enthalten, die Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung degradieren.

 

Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie im

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