Nach der Reform ist vor der Reform

Bund und Länder streben eine umfassende Reform des Jugendschutzes an – aber welche?

medien impuls am 26. November 2015

Die Grundidee des gesetzlichen Jugendmedienschutzes lässt sich in der modernen Medienlandschaft nur noch zu einem kleinen Teil realisieren. Inhalte, die durch sachverständige Ausschüsse als jugendgefährdend oder für bestimmte Altersgruppen als beeinträchtigend identifiziert werden, sollen durch gesetzliche Vertriebsbeschränkungen so gut es geht von den Betroffenen ferngehalten werden. Was im Kino zumindest theoretisch noch einigermaßen gut funktioniert, versucht man bei DVDs durch Abgabebeschränkungen und im Fernsehen durch Sendezeitbeschränkungen umzusetzen. Im Internet lassen sich die gesetzlichen Bestimmungen aufgrund der Masse an Inhalten und der internationalen Verbreitung noch schwerer durchsetzen.

Die Medienpolitik bemüht sich seit 2010, durch eine Reform des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) eine Antwort auf die Anarchie des Jugendschutzes im Netz zu finden. Formal anerkannte Jugendschutzprogramme sollen es richten, dass Kinder und Jugendliche  nur noch bestimmte, altersgerechte Inhalte sehen. Inzwischen hat sich im klassischen Jugendschutz herumgesprochen, dass ein gesetzlicher Schutz im Internet ohne technische Filter nicht zu realisieren ist. Die aktuelle JMStV-Reform, die mittlerweile in der Endphase steckt, setzt immer noch in wenig veränderter Form auf Jugendschutzprogramme.

Welche Richtung wird der gesetzliche Jugendmedienschutz von morgen einschlagen? Sind Anbieterkennzeichnungen und technische Filter ein sinnvoller Weg? Und wie kann man erreichen, dass diese von Eltern genutzt werden? Sollen wir uns vom Prinzip der Gremienentscheidung und der gesetzlichen Vertriebsbeschränkung verabschieden?

Der Jugendmedienschutz steht vor einer wichtigen Weichenstellung, und das Ergebnis entscheidet darüber, ob er auch in Zukunft noch eine Existenzberechtigung haben wird. Wir brauchen also eine umfassende und wohl überlegte Reform. Derzeit weiß allerdings niemand ganz genau, wie sie im Detail aussehen soll.

Impuls: Inhalte der JMStV-Novelle

Prof. Joachim von Gottberg ist Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Nach seinem Studium der Germanistik und Theologie (Lehramt) baute er in Hannover die Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen auf und beschäftigte sich neben Suchtprävention und Jugendkriminalität mit der Wirkung von Medien. Ab 1985 war er als Ländervertreter bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) tätig, bis er 1994 die Geschäftsführung der FSF übernahm. Er ist Chefredakteur der Fachzeitschrift tv diskurs. Seit 2006 ist Joachim von Gottberg Honorarprofessor für das Fach Medienethik/Medienpädagogik an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF in Potsdam-Babelsberg.

Martin Drechsler ist seit 2013 stellvertretender Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Er studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Fernuniversität Hagen. Nach dem Referendariat war er als Rechtsanwalt in Berlin tätig. Seit 2008 ist Martin Drechsler bei der FSM für rechtliche und technische Fragen des Jugendmedienschutzes zuständig, dabei ist er u.a. verantwortlich für das Altersklassifizierungssystem und die Beratung der FSM-Mitglieder bei der Kennzeichnung von Webinhalten. Er ist Mitglied der Fachkommission Wissen, Forschung, Technikfolgenabschätzung bei I-KiZ, dem Zentrum für Kinderschutz im Internet.

Gegenseitige Anerkennung der Prüfergebnisse

Einfaches Problem, komplizierte Regelung: wie soll das klappen?

Diskussion mit Christiane von Wahlert (SPIO/FSK), Isabell Rausch-Jarolimek (die medienanstalten/KJM) und Claudia Mikat (FSF)

Claudia Mikat ist seit 2015 Geschäftsführerin Programmprüfung und hauptamtliche Vorsitzende der FSF-Prüfausschüsse. Sie studierte Erziehungswissenschaften/Freizeit- und Medienpädagogik an der Universität Göttingen. Danach arbeitete sie als freiberufliche Medienpädagogin, als Dozentin und in der Erwachsenenbildung. Von 1994 bis 2001 leitete sie die Geschäftsstelle der FSF und wechselte dann in die Programmprüfung, die sie seit 2001 verantwortet.

Isabell Rausch-Jarolimek ist seit 1. April 2015 Bereichsleiterin Jugendmedienschutz bei den medienanstalten/KJM. Vor ihrer Tätigkeit für die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) war sie Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins fragFINN – die Suchmaschine für Kinder. Nach Abschluss ihres Studiums der Medienwissenschaften, Psychologie und Soziologie begann Isabell Rausch-Jarolimek ihre berufliche Laufbahn als Medienreferentin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM).

Christiane von Wahlert ist Geschäftsführerin der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) und der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Sie studierte Sozial- und Erziehungswissenschaften in Freiburg, den USA und Tübingen. Danach machte sie beruflich Station im Schuldienst, als Studienleiterin im Evangelischen Studienwerk Villigst, in der Lehrerfortbildung, als Filmpublizistin, in der Öffentlichkeitsarbeiterin für Filmfestivals sowie als  Leiterin des Dezernatsbüros und Persönliche Referentin der Frankfurter Kulturdezernentin. Außerdem war sie Betriebsdirektorin des Theater am Turm (TAT) in Frankfurt.

Impuls: JMStV macht erfinderisch. Aktuelle technische Schutzlösungen im Überblick

Stephan Dreyer ist seit 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hans-Bredow-Institut (HBI) tätig. Zuvor hat der Diplom-Jurist Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Information und Kommunikation an der Universität Hamburg studiert. Sein Forschungsinteresse gilt dem Recht der neuen Medien, insbesondere rechtlichen Fragestellungen im Schnittbereich von Jugendschutz, Datenschutz und Verbraucherschutz sowie den Herausforderungen, denen sich rechtliche Steuerung angesichts neuer Technologien, Angebotsstrukturen und Nutzungspraktiken gegenübersieht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte am Institut sind neben dem Jugendmedienschutz Untersuchungen zu den Möglichkeiten, Fragen und Grenzen der Steuerung durch Technik und Informationspflichten. Zudem führt er steuerungswissenschaftlich orientierte sowie komparative Untersuchungen von Systemen und Instrumenten medienbezogener Governance durch.

Digital ist besser!?

Möglichkeiten und Grenzen technischer Jugendschutzlösungen

Diskussion mit Daniela Hansjosten (Mediengruppe RTL Deutschland), Dr. Rolf Bardeli (Fraunhofer-Institut), Stephan Dreyer (Hans-Bredow-Institut), Thorsten Feldmann (JBB Rechtsanwälte) 

Moderation: Christine Watty

Dr. Rolf Bardeli ist Senior Scientist am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, Sankt Augustin, im Bereich der Mustererkennung in multimedialen Daten. Seit 2008 arbeitet er dort an der Planung, Leitung und Durchführung von Forschungs- und Wirtschaftsprojekten in diesem Gebiet. Er ist einer der Autoren der 2012 erschienen Studie zum technischen Jugendmedienschutz: Möglichkeiten und Grenzen von Verfahren zur Detektion jugendschutzrelevanter Web-Inhalte. Als Mitglied des Advisory Board begleitet er die Entwicklung maschinenlesbarer Labels zur Alterskennzeichnung im EU-Projekt MIRACLE. Am Bonn-Aachen International Center for Information Technology lehrt er derzeit in den Gebieten Maschinelles Hören, Multimedia-Analyse und Tiefes Lernen.

Thorsten Feldmann ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Jaschinski Biere Brexl (JBB). Als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht berät er deutsche und internationale Unternehmen in den Bereichen Medien, Kultur, Kommunikation, Werbung und Technologie. Ein besonderer Schwerpunkt bildet dabei die juristische Gestaltung und Verteidigung digitaler Produkte und Geschäftsmodelle. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Bayreuther Arbeitskreises für Informationstechnologie – Neue Medien – Recht @kit, Herausgeber, Autor und Referent zahlreicher Fachveröffentlichungen und bloggt unter www.feldblog.de.

Daniela Hansjosten ist seit 2008 Jugendschutzbeauftragte für den Online-Bereich (u.a. rtl.de, clipfish.de, rtlnow.de) in der Mediengruppe RTL Deutschland. Sie studierte katholische Theologie, Germanistik und Pädagogik in Trier, Dublin und Köln. Nach einem Volontariat in der Programmplanung für die digitalen Spartenkanäle bei RTL Television wechselte sie in den Bereich Jugendschutz des Senders. Daniela Hansjosten ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins zur Förderung des Kinder- und Jugendschutzes in den Telemedien JusProg.

Blick in die Zukunft: Welchen Jugendschutz brauchen wir?

Gepräch mit Christine Watty (Moderation), Claudia Mikat (FSF), Otto Vollmers (FSM) 

Otto Vollmers ist seit Oktober 2011 Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Er studierte Rechtswissenschaften in Marburg, Paris und Wellington. Nach der Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Marburg absolvierte er das Rechtsreferendariat in Berlin. Von 2006 bis 2011 war Otto Vollmers als juristischer Referent der FSM für Fragen des Jugendmedienschutzes tätig.

Christine Watty lebt und arbeitet als freie Journalistin in Berlin. Sie studierte in Hamburg und Spanien. Ihre Themenschwerpunkte sind Kultur, Politik und digitale Medien. Sie moderiert u.a. Sendungen für Deutschlandradio Kultur und den WDR. Außerdem arbeitet sie als Redakteurin für verschiedene Sendungen im Deutschlandradio Kultur und ist Autorin für Feature, Reportagen und Beiträge.

Die Veranstaltungsreihe medien impuls findet in Kooperation mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) statt.