Vom Ende der Liebe …

Die Realityshow „Prominent getrennt – Die Villa der Verflossenen“

Sibylle Kyeck
PROMINENT GETRENNT (Bild: RTL)
Prominent getrennt – Die Villa der Verflossenen
Staffel 3D 2024Realityshow
Anbieter
RTL+ | RTL
Zu sehen
ab 03.04.2024 | 20.06.2024

Eine Realityshow ist eine Realityshow ist eine Realityshow? Prominent getrennt zeigt, dass vermeintliches Trash-TV auch Metaebene kann und manchmal mehr Herzensbildung als Guilty Pleasure ist.

Acht getrennte Promipaare treffen in der „Villa der Verflossenen“ auf ihre größte Herausforderung: die Ex-Partner:innen. Vor südafrikanischer Traumkulisse müssen sich die Entzweiten wieder vereinen, um als Team die bis zu 100.000 Euro Preisgeld zu erkämpfen. Dabei steht nicht nur die Konkurrenz im Weg, sondern auch die gemeinsame Vergangenheit. Wer kann Team trotz Trennung?

Um die Challenges zu meistern, müssen die Ex-Paare alte Gräben schließen, nur um sie an anderer Stelle wieder aufzureißen. Denn auch das ist Teil der Show: sich mit der gescheiterten Liebe auseinanderzusetzen. Etwa in der „Zeit zu zweit“ abseits der Villa, wo es emotional ans Eingemachte geht. Schuld, Sühne, Liebe, Hass, Lug und Betrug: Hier fließen die echten Tränen, gerne heruntergespült mit dem bereitgestellten Blubberwasser.

Denn ja, auch in dieser Realityshow wird getrunken. Und geraucht, gelästert, gestritten und geweint. Auch hier werden Geschlechterstereotype reproduziert, wenn überwiegend sexy gekleidete Frauen mit falschen Haaren, Wimpern und/oder Nägeln auf muskulöse Männer in Hochwasserhosen, mit oder ohne Tattoos treffen. Aber das ist für den Plot völlig irrelevant. Und das macht den großen Unterschied.

Trailer Sneak Peek: Die ersten Einblicke in die Villa der Verflossenen | Prominent getrennt (RTL+, 27.03.2024)


Anders als in anderen Formaten liegt der Fokus bei Prominent getrennt nämlich nicht auf der Anbahnung (und dem Vollzug) sexueller Handlungen. Ganz im Gegenteil. Wir schalten nicht kurz vorm ersten Geschlechtsakt ein, sondern lange danach. Die Villa der Verflossenen braucht keine nackten Tatsachen im „Boom Boom Room“ – sie setzt auf Seelenstriptease. Genau dann, wenn die Ex-Paare wirklich ehrlich miteinander sind, fallen die letzten Hüllen und es wird anders nackt – nämlich „real“. Und genau das ist es doch, was jeder Realitystar sein will. Wer „fake“ ist, verdient keine Sendezeit. Auch beim Publikum kommen am besten die Shows an, bei denen es das Gefühl hat, dass hier echte Menschen echte Gefühle vor laufenden Kameras zeigen. Dass die Tränen von Herzen und die Wut direkt aus der inneren Hölle kommen. Prominent getrennt gelingt es immer wieder, diese Momente zu schaffen, was auch am Cast liegt.

Und in Staffel 3 hat RTL ein sehr gutes Händchen bewiesen. Da wären etwa Ex-Sommerhäusler Mike Cees, der selbst ernannte Narzisst, Bombenleger und das Paradebeispiel dafür, was alles schiefgehen kann in Beziehungen, und seine Noch-Ehefrau Michelle Monballijn. Oder aber Nico Legat. Der Sohn von Thorsten „Kasalla“ Legat hat seine damalige Fast-Verlobte Sarah Liebich 2023 volltrunken und vor laufender Kamera bei Temptation Island betrogen. So geht Fallhöhe.

Bei Bachelorette-Baggerer Emanuell und Gesamtkunstwerk Kim Virginia wird schnell klar, dass ihre Beziehung mehr mit Fame und Follower:innen als mit großer Liebe zu tun hatte, und auch das erste queere Paar der Show – Gina und Emily – haben nur noch Zeterei statt Zärtlichkeiten füreinander übrig.

So hält die aktuelle Staffel von Prominent getrennt – die Villa der Verflossenen ein Füllhorn an emotionalen Ausnahmezuständen für uns bereit. Echte Tränen, falsche Versprechungen, alte Muster, ungelöste Konflikte, tiefe Wunden, gebrochene Herzen. „Bro Culture“ und „Sisterhood“, Hahnenkämpfe und Zickenkrieg. Für die einen klingt das nach Guilty Pleasure, für die anderen nach griechischer Tragödie – oder wenigstens nach Schiller (wie zum Beispiel für Trash-TV-Guru und Journalistin Anja Rützel) Der wollte auf seiner Schaubühne „Laster und Tugend, Glückseligkeit und Elend, Thorheit und Weisheit“ (Rützel 2021) vorführen, damit das Publikum aus deren Fehlern lernen konnte, ohne sie selbst erst zu begehen. Und gerade zum archaischen Thema Trennung liefert Prominent getrennt durchaus gutes Anschauungsmaterial für alle Altersgruppen und Bildungsstände, wie Mensch es denn besser nicht – oder einfach besser machen sollte.

 

Quelle:

Rützel, Anja: Trash-TV-Liebe. Kolumne in tv diskurs 96, 2/2021, S. 55–59

 

 

Freigegeben ab 12 Jahren | ab 20 Uhr

 

 

Der FSF lagen vier Episoden der 3. Staffel zur Prüfung vor, die im Hinblick auf eine mögliche sozialethische Desorientierung diskutiert wurden.

Als Mischung aus Dating- und Spielshow enthält das Format durchaus genretypische Elemente. Sexuelle Handlungen und ausufernde Partys kommen im Gegensatz zu vergleichbaren Shows (Love Island, Are You The One, Temptation Island) aber nicht vor, was aus Jugendschutzsicht positiv zu werten ist, da Sprache und Bildebene infolgedessen nicht übermäßig sexualisiert sind. Einzelne Szenen bleiben die Ausnahme und sind vom Sender für die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm ausreichend entschärft.

Auch das künstliche und bösartige Herbeiführen von Konflikten steht nicht im Vordergrund. Antisoziale, narzisstische und problematische Verhaltensweisen werden an keiner Stelle als positiv oder erstrebenswert dargestellt. Im Gegenteil: Sie werden von der Gruppe nicht akzeptiert. In diskussionsreichen Situationen agieren die Teilnehmer:innen stets selbstbewusst, wenn sie tough ihre Meinung verteidigen oder sich mitfühlend für andere einsetzen. Eine rein voyeuristische Vorführung findet nicht statt. Die emotionale Aufarbeitung der gescheiterten Beziehungen ist vielmehr so umgesetzt, dass sie für ab 12‑Jährige durchaus eher positive Denkanstöße als abträgliche Botschaften mit sich bringt.

Diskussionswürdig waren die genretypischen Klischees, die von Senderseite für das Hauptabendprogramm aber ausreichend entschärft wurden. Wie es sich für eine Realityshow gehört, streiten sich die Protagonist:innen zwar viel, drastischere Ausdrücke wurden aber gepiept oder herausgeschnitten. Auch der Konsum von Alkohol und Zigaretten ist präsent, wird aber nicht exzessiv betrieben oder attraktiv dargestellt.

Der Cast reproduziert zwar genretypische Geschlechterstereotype, trotzdem ist positiv hervorzuheben, dass völlig selbstverständlich ein queeres Ex-Paar dabei ist. Für Entlastung sorgen zudem die spielerischen Elemente sowie die langen Dialoge. Darüber hinaus liefern der deutlich erkennbare Show- und Spielcharakter des Formats und das künstliche Setting in einer Villa in Südafrika ausreichend Distanzierungsmöglichkeiten, weswegen keine Übertragungsgefahren befürchtet werden. Die diskussionswürdigen Inhalte sind daher nach Einschätzung des Prüfausschusses ausreichend relativiert, um eine sozialethische Desorientierung für ab 12-Jährige auszuschließen.

Über die Autorin:

Sibylle Kyeck studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Neben ihrer Prüftätigkeit für die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) arbeitet sie als freiberufliche Journalistin und Lektorin.

Bitte beachten Sie:

Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Medieninhalt nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung hat.

Weiterlesen:   Sendezeiten und Altersfreigaben

 

Hinweis:

Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:   Jugendschutz bei Streamingdiensten