FSF kompaktFür die PressePressearchivFSF-Kuratorium zu sexualisierter Gewalt

Pressemitteilung vom 2. November 2023

Kein Nischenthema: Kuratorium der FSF befasst sich mit Darstellungen von sexualisierter Gewalt
 

Sexualisierte Gewalt ist im Fernsehen und Streaming kein Nischenthema. Zu diesem Schluss kommt das Kuratorium der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), das sich zum jährlichen Treffen am 26. und 27. Oktober 2023 schwerpunktmäßig mit Darstellungsformen und Wirkungen von sexualisierter Gewalt befasste.

 

Bilder von sexualisierten Verbrechen kommen in Filmen und Serien häufig vor und blenden die Perspektive der (meist weiblichen) Opfer oftmals aus, sagte Prof. Dr. Christine Linke von der Hochschule Wismar unter Rückgriff auf eine Studie zu geschlechtsspezifischer Gewalt aus dem Jahr 2021. Potenzielle Gefahren für Kinder und Jugendliche liegen in einer Heroisierung der Täterschaft, einer Normalisierung der Taten sowie einer damit verbundenen Banalisierung des Leids der Opfer. Darstellungen, die Sexualität mit Gewalt verknüpfen und dies ästhetisieren, können Ängste schüren und die Empathie mit den Opfern verringern, so Linke. Dagegen helfe ein kritisches Framing dabei, die Gewalt distanziert einzuordnen.

 

Kathrin Demmler, Direktorin des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, ergänzte die Perspektiven von Heranwachsenden aus verschiedenen Befragungen. Es sei zu vermuten, dass Kinder und Jugendliche bei Darstellungen von sexualisierter Gewalt noch nicht eindeutig zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. Wesentlich für die Wirkung sei daher der einordnende Kontext, in dem eine Gewalthandlung stattfinde.

 

Vor diesem Hintergrund brauche man keine neuen Kriterien oder gar Checklisten für die Bewertung sexualisierter Gewalt, sagte Dr. Stephan Dreyer, Senior-Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung und Vorsitzender des FSF-Kuratoriums. Die vorhandenen Bewertungskriterien der FSF berücksichtigten sowohl die Inszenierungsweise und Drastik als auch die kontextuelle Einbettung von Gewalt und würden damit auch bei Darstellungen von sexualisierter Gewalt greifen. Wesentlich sei aber, für das Thema zu sensibilisieren und Entscheidungsmaßstäbe zu schärfen.

 

Dr. Jens Förster, Sozialpsychologe und systemischer Therapeut, betonte die Gefahr der Re-Traumatisierung von Opfern durch Darstellungen von sexualisierter Gewalt. Da die Auslöser individuell unterschiedlich und oft nicht vorhersehbar seien, könne eine Re-Traumatisierung, also das starke emotionale Wiedererleben von traumatischen Ereignissen, bei audiovisuellen Darstellungen nicht vollständig vermieden werden. Bei typischen Traumatriggern, wie zum Beispiel bei Szenen von Eingesperrt-Sein oder sexueller Gewalt, seien Flashbacks allerdings wahrscheinlicher. Warnhinweise und Informationen zu Beratungsangeboten könnten hier durchaus sinnvoll sein, so Förster.

 

Claudia Mikat, Geschäftsführerin der FSF, dankte dem Kuratorium für seine Begleitung der Prüfpraxis und für die Weiterentwicklung der Bewertungskriterien. Diese müssten auf aktuelle Problemlagen angewendet und ständig angepasst werden. Warnhinweise oder so genannte Deskriptoren für Darstellungen von sexualisierter Gewalt seien im TV und online derzeit nicht erforderlich. Für die DVD-Auswertung seien diese Hinweise aber verpflichtend und würden von der FSF vergeben.

 

Für das Jahr 2024 hat das Kuratorium angekündigt, Hilfestellungen für die Prüfung und insbesondere für die Abgrenzung von 12er- und 16er-Inhalten zu entwickeln. Handreichungen für Produktion und Redaktion sollen Inszenierungsweisen und Formen der Ästhetisierung von sexualisierter Gewalt beleuchten. Wie eine „gute Praxis“ in Bezug auf Darstellungen von sexualisierter Gewalt aussehen kann, wird Thema eines Beitrags des Kuratoriums in der Fachzeitschrift mediendiskurs sein.

 

Literatur

Linke, C./Kasdorf, R.: Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen. Kooperationsprojekt der Hochschule Wismar und der Universität Rostock 2021. Abrufbar unter: https://fg.hs-wismar.de

Linke, C./Kasdorf, R.: Audiovisuelle Repräsentation geschlechtsspezifischer Gewalt: Theoretische Überlegungen und empirische Befunde. In E. Grittmann, K. Müller, C. Peil, J. Pinseler (Hrsg.): Medien und Ungleichheiten (Trans-)nationale Perspektiven auf Geschlecht, Diversität und Identität. Magdeburg 2023: Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft e.V., S. 1-12. Abrufbar unter:  https://doi.org/10.21241/ssoar.86636

 


Über die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) ist die anerkannte Selbstkontrolleinrichtung privater Fernseh- und Telemedienanbieter. Sie bewertet AV-Inhalte unter Jugendschutzgesichtspunkten und vergibt Altersfreigaben. Mit Fachveranstaltungen, der Zeitschrift mediendiskurs und der Plattform Medienradar fördert sie den Diskurs über Medieninhalte und ‑wirkungen sowie über Fragen der Medienpolitik und ‑regulierung.

Über das Kuratorium der FSF

Das Kuratorium der FSF berät den Verein in den inhaltlichen Fragen des Jugendschutzes auf der Grundlage des fachlichen Hintergrunds seiner Mitglieder und unter Einbeziehung des gesellschaftlichen Diskurses. Es begleitet die Prüfungen der FSF, benennt die Prüferinnen und Prüfer und verantwortet die Prüfordnung, die die Kriterien für die Prüfung beinhaltet und alle mit dem Prüfverfahren zusammenhängenden Fragen regelt. Mitglieder des FSF-Kuratoriums sind: