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Thomas Strässle:

Über die Erfindung von Wahrheit

Faketionales Erzählen aus literaturwissenschaftlicher Sicht

In: mediendiskurs, 27. Jg., 2/2023 (Ausgabe 104), S. 4-9

Fakten können in literarischen Texten einen sehr unterschiedlichen Status haben: Mal handelt es sich um Wirklichkeitsfetzen, die in einen literarischen Text hineinmontiert werden – wie die Annoncen, Artikel, Plakate, Prospekte, Reklamen, Statistiken und Wetterberichte, die Alfred Döblin in seinen Roman Berlin Alexanderplatz aufgenommen hat –, mal handelt es sich um historisch genau identifizierbare Orte, Personen oder Ereignisse, die ein literarischer Text als Referenzpunkte in der Wirklichkeit wählt – wie der Sturm auf die Danziger Polnische Post im September 1939 in der Blechtrommel von Günter Grass –, mal handelt es sich um ein Faktum, das einzig durch den Akt seiner erzählerischen Setzung zu einer literarischen Tatsache wird – wie etwa, dass Böhmen nach William Shakespeare und Ingeborg Bachmann am Meer liegt. Fakten sind immer gemacht, das verrät schon die etymologische Wurzel, ganz im Unterschied zu Daten, die bekanntlich „gegeben“ sind.

  • Thomas Strässle (Foto: Ayse Yavas)

    Prof. Dr. Thomas Strässle ist Literaturwissenschaftler, lehrt an der Universität Zürich und leitet an der Hochschule der Künste Bern das spartenübergreifende Y Institut. Außerdem ist er Präsident der Max Frisch-Stiftung an der ETH Zürich und Mitglied der Kritikerrunde im „Literaturclub“ vom Schweizer Fernsehen SRF.

 

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